Von Sauen und Dörfern

rge.harlekin

Ich sitze am PC und bin einigermassen ratlos. Gerade hat mir unser britischer Harlekin erklärt mein Text sei zu brav, zu wenig «harlekinesk». Im Internet lese ich ausgerechnet: «Der Harlekin ist der Prototyp eines Influencers: Publikumsliebling, verführerisch, aufdringlich.». So ist es richtig: wenn einer am Boden liegt noch nachtreten.

Dabei hatte ich doch nur was über Moden und Hypes im Umfeld von Projektmanagement geschrieben. Nicht «bissig» genug, «zu wenig britischer Humor» hat er gesagt, der Brexitflüchtling. Typisch für das kolonialistische Erbe dieser Nation: in andere Länder einfallen und gleich mal den Ton angeben. Da lob ich mir die Schweizer Neutralität.

Dann werden wir es also «britischer» machen.

Der Titel des Textes lässt erahnen, dass es um die Jagd der ersteren durch die letzteren gehen soll. Die Redewendung wird genutzt bei einer Sache, die viel diskutiert wird und Aufregung erzeugt. Man will zum Ausdruck bringen, dass diese Sache schnell von etwas Anderem abgelöst werden wird (in diesem Zusammenhang sei angemerkt, dass, gemäss «Linguee», der Tommy mit keiner gleichwertigen Redewendung aufwarten kann).

Besagte «porca» ist universell, wird hier aber nur im Umfeld der Leitung von Projekten betrachtet (ist Ihnen die Vermeidung von Anglizismen in diesem Satz aufgefallen?). Gerne wurden und werden Namen ausländischer Herkunft für sie vergeben. Lateinische Namen wie «virtuell» waren eine Zeitlang en vogue. Aber auch AMERIKANISCHE, wie zum Beispiel «cloud» oder «agile». Dann gab es noch welche, die «4.0» im Namen hatten und haben. Passt zugegebenermassen nur bedingt.

Die rosigste Sau zurzeit trägt den Namen «Kanban». Kommt aus dem Japanischen (nicht aus dem Englischen) und heisst sowas wie «Karte» oder «Tafel» und soll Engpässe vermeiden und den Arbeitsfortschritt visualisieren helfen.
Das zentrale Werkzeug (besseres Wort für «tool») heisst «Kanban Board» (eine, wie ich finde, zutiefst unästhetische Zusammenstellung aus den Sprachen zwei mehr oder weniger sympathischen Kulturen). Zeigt an:

  1. was noch zu tun ist («Backlog»), was wir vor dreissig Jahren «verbleibende Aufgaben» nannten
  2. was gerade bearbeitet wird («in progress»), was wir «in Bearbeitung» nannten
  3. was fertiggestellt ist («done»), was wir «fertig» nannten.

Ohne Kanban, so deren Verfechter, entstehen sogenannte «Bottlenecks», die man daran erkennt, dass sich dort die Abarbeitung staut (nannten wir «überlastete Mitarbeiter», die Monarchisten von der Insel, lieblos und menschenverachtend wie sie so sind, «Flaschenhälse»). Daher sollte bei Anwendung von Kanban in Projekten die Anzahl an Aufgaben, an denen parallel gearbeitet werden darf, begrenzt werden (das nannten wir «nicht verzetteln»). Die Anzahl der Aufgaben, die eine «Station» übernehmen darf, wird also begrenzt (wieder so ein misanthropischer Begriff; wir nannten sie anerkennend «Mitarbeiter»). Das nennt man dann «Pull-System», d.h. jede «Station» übernimmt erst dann eine neue Aufgabe, wenn die vorherige abgeschlossen ist (das nannten wir «gesunden Menschenverstand»). Gemäss Methode muss dazu die Kapazität der einzelnen «Stations» vorab definiert werden (das nannten wir «Verfügbarkeit» und «Intellekt»), denn häufig liegen mehr Aufgaben an, als die «Stations» parallel bewältigen können (das nannten wir «nicht-festpreisfähigen Kunden»). Daher brauchte es also eine konsequente Priorisierung beim Abarbeiten von Aufgaben (das nannten wir auch so).

Bin mir jetzt wirklich unsicher, ob ich nicht doch über alten Wein und das, worin man denselben früher aufbewahrt hat (nannten wir «Schläuche») geschrieben habe (haben die Briten übrigens als Redensart fast wörtlich von uns geklaut; Beweis: Schläuche zur Aufbewahrung gab es schon vor Flaschen).

Bildquellen

  • Harle-Kin-III: Bildrechte beim Autor

Autor: rge

Hallo, ich bin Rüdiger Geist, der rge.harlekin vom Zürichsee. Als Politikwissenschaftler verlor ich sehr schnell den Glauben an Rationalität und den homo oeconomicus. Also suchte ich mir was Handfesteres und Logischeres: die Informatik. Feste Regeln, unmittelbares Feedback vom Compiler und nicht viel mit Menschen zu tun haben. Ihr erahnt es schon, es kam ganz anders. Schnell wurde ich zum Projektleiter ernannt, hörte sich auch toll an, wusste aber nicht so genau was das eigentlich ist. So nach etwa drei Jahrzehnten im Umfeld von Projekten meine ich nun zu wissen worum es da geht und so trage ich nun meine Erkenntnisse seit 2005 mittels eigenem Unternehmen in die Welt hinaus, ja sogar in die EU. Es gibt so viele schöne Zitate, die die unterschiedlichsten Facetten des Projektmanagements beschreiben und ich nutze sie gerne. Aber das beste stammt natürlich von mir selbst: Der Zweck des Projektmanagement ist «no surprises».

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