Sprache ist GEIL …

Nun Ja, nicht immer. Denn irgendwie ärgert mich dieser gendergebeutelte Schreib- und Sprachgebrauch in der deutschen Politik und den berichtenden Medien, die dabei ja kräftig ihre eigenen, medialen Interessen vertreten. Einerseits wird dort durchaus engagiert über LGBT, PRIDE und Christopher Street Parade berichtet – wir sind divers – und auf der anderen Seite sind es die gleichen Instanzen, die unsere Sprache aus einem prinzipiell asexuellen Verständnis nun in eine binäre, genauer bisexuelle Form pressen.

Bis vor kurzem haben wir mit Deutscher, Leser und Zuschauer automatisch alle Menschen bezeichnet, die diesem Kriterium genügen. z.B. war mit lieber Leser „nach üblichem Verständnis“ alle Männer, alle Frauen aber auch alle „Diversen“ gemeint. Auch mit angesprochen waren bisher Senioren, Kinder und Behinderte. Wo bleiben die bei einer sprachlichen Differenzierung nach Geschlechtern? Oder ist es nur eine Frage der Zeit bis wir weitere Doppelpunkte anhängen? Schauen mer mal.

Damit sich mit gendergerechtem Sprachgebrauch primär auch Frauen angesprochen fühlen sollen, begrüßt inzwischen der Moderator uns zur Abendunterhaltung mit „liebe Zuschauer und Zuschauerinnen“, in den Zeitschriften wird dies elegant in einem Wort erfasst – „liebe Leser:Innen“. Doch wo sind jetzt Kinder und Alte, sowie die Vertreter der Regenbogengesellschaft geblieben, – die Schwulen – die Lesben – die Hermaphroditen und die Dragqueens? Sie werden jetzt per Definition vom femininen Teil der gendergerechten Schreibweise erfasst! Doch wenn der feminine Teil der gendergerechten Sprache „liebe Leser*innen“ die Diversen beinhalten soll, warum kann dann der liebe Leser nicht auch die weiblichen Leser (incl. Diverse) umfassen? Schon das verstehe ich nicht, aber es ist ja noch nicht alles.

Denn noch weniger sinnvoll erscheint mir, Wörter zu gendern, die an sich schon geschlechtsneutral sind. Trotzdem begegnen mir immer wieder „Mitglieder*innen“ oder „Mensch*innen“, au Backe. Vielleicht liegt das daran, dass NUR am Artikel einfach nicht festzumachen ist, ob ein Wort sich auf ein bestimmtes Geschlecht bezieht. So ist „der Mensch“ grammatikalisch gesehen zwar männlich. Das Wort bezeichnet aber sowohl Männer als auch Frauen und natürlich – nichtbinäre Personen. Wer Deutsch als Muttersprache gelernt hat, sollte intuitiv wissen, ob ein Wort der, die oder das als Artikel hat. In Deutschland lebenden Ausländern hingegen bleibt nur das Auswendiglernen, da es keine handfesten Regeln zur Bestimmung des Artikels gibt. So ist der Fluss zwar mit einem maskulinen Artikel besetzt, trotzdem bleibt jeder Fluss sächlich. Völlig unabhängig davon, ob es der Rhein oder die Elbe ist.

Und wenn es Bürger*innen und Meister*innen gibt, müsste es dann im Sinne einer gendergerechten Sprache nicht auch „Bürger*innenmeister*in“ heißen? Etwas sperrig, aber diese Formulierung wäre dann konsequent. Nur, wer soll das unseren Zugewanderten erklären?

Zusätzlich erschreckt mich die Behauptung, dass beim Gendern – angeblich – mit gestelzter Sprache und eingestreuten Satzzeichen wie Doppelpunkten, Unterstrich und Sternchen das Denken und Handeln von Menschen – angeblich – positiv beeinflusst wird. Doch nicht die Syntax eines Wortes (die Schreibweise) ist richtig oder falsch – sondern, wenn überhaupt, unsere Vorstellung (die Semantik/Bedeutung) die wir mit diesen Wörtern verbinden. So können Instanzen zwar Worte tabuisieren – quasi verbieten – aber man erwischt damit nicht die Einstellung, das Denken des Lesenden. Ergo ist m.E. verordneter Sprachgebrauch im Rahmen von „political correctness“ und gendergerechter Sprache zwar gut gemeint, zeigt aber auch das fehlende Verständnis für das Zusammenspiel von Syntax, Semantik und den Bedürfnissen derer, die bisher nicht mit dem Doppelpunkt erfasst wurden. Wenn dieser Ansatz nur halbwegs funktionieren würde, dann müsste man nicht die Zigarettenwerbung verbieten, sondern einfach den Begriff Zigarette durch Räucherstäbchen ersetzen und aus Tabak machen wir Dörrlaub. Und schwupps, schon wäre die Republik auf dem Weg zum Nichtraucherland.

Ich weiß nicht, dafür müsste sich doch die Einstellung, das Denken der betroffenen Menschen ändern und nicht (nur) deren Sprachgebrauch. Und wenn man schon Grammatik und Rhetorik ändern will, warum dann, liebe Leser:Innen, in ein bisexuelles Format? Das ist doch immer noch der Geist von gestern. Die Welt besteht nicht nur aus Menschen, die sich als männlich oder weiblich definieren.

Wie auch immer, einige gendernde Wortspiele erinnert an die historisch, patriotischen Versuche durch „Verdeutschen“ unseren Kaiser und das Vaterland zu retten. Damit überdurchschnittlich erfolgreich war übrigens Philipp von Zesen, ein deutscher Dichter und Schriftsteller. Seine Poetik im 17. Jahrhundert hatte bedeutenden Einfluss auf die Entwicklung der deutschen Sprache, möglicherweise auch auf das Gendern!? Er machte aus der Assekuranz eine Versicherung und aus Fundament wurde bei Ihm der Grundstein. Das Journal wurde zum Tagebuch und den Tempel wandelte er zum Gotteshaus. Etwas irritierend nach heutigem Verständnis: Aus „Projekt“ wurde bei ihm der Entwurf. Obwohl wir alle wissen: Ein Projekt ist doch ein zielgerichtetes, einmaliges Vorhaben, … um unter Berücksichtigung von Vorgaben wie etwa Zeit, Ressourcen und Qualität ein Ziel zu erreichen. Obwohl, bei etwas Nachdenken: manche Projekte sind wohl doch eher ein Entwurf. So wie der Berliner Flughafen vielleicht?

Nicht so erfolgreich, aber dafür sehr humorig, waren seine folgenden Ansätze zur Optimierung der deutschen Sprache: Statt …

Anatomie – Entgliederkunst
Nonnenkloster – Jungfernzwinger
Mönchskloster – Mannszwinger
Pistole – Meuchelpuffer
Fenster – Tageleuchter
Teppich – Prunktuch und sehr kreativ …
Musik – Lustgetöne

Schon als Kind fand ich den Aufwand für Deutsch als Schulfach, mit Diktaten und diesen langweiligen Aufsätzen ziemlich aufwändig und eher lästig, denn Deutsch, das kann man einfach – ok, halt Kindersicht. Oder vielleicht doch nicht? Bereits ein 6-jähriges Kind beherrscht, – nur durch zuhören -, bereits den überwiegenden Teil der Grammatik seiner Muttersprache. Was soll/muss man da noch in der Schule lernen? Wer zu diesem Thema mehr wissen möchte, sollte der Internetseite Welt der Sprachen einen Besuch gönnen.

Im Vergleich dazu musste ich für Englisch zwar deutlich mehr pauken, aber die Grammatik war easy. Keine Unterschiede in der Ansprache mehr, mit YOU war man/frau/kind (fast) immer richtig. Kein unlogisches Genus bei den Substantiven, denn Flüsse waren endlich ein Neutrum, „the river Themse“ und keine sprachlichen Fabelwesen, wie DER Rhein oder DIE Weser. Übrigens ein noch weitestgehend unerschlossenes Terrain für die Streithähne und Streithühner der gendergerechten Sprache.

Der aktuelle Sprachen-Streit ist umso unverständlicher, je mehr man sich mit dem Wandel der deutschen Sprache in den letzten Jahrzehnten beschäftigt, Sprache ist immer ein Spiegelbild der jeweiligen Gesellschaft und daher auch IMMER im Wandel. Das muss man nicht in Leitlinien festzurren, dieser Wandel kommt ganz von allein.

Der heutige Gebrauch von du und Sie richtet sich nach verschiedenen Kriterien, meistens nach dem Bekanntheitsgrad (Verwandte, Freunde, Kollegen usw. werden geduzt, Fremde gesiezt). Aber dies war nicht immer so: Noch um 1900 war es üblich, dass Kinder ihre Eltern mit Sie und „Herr Vater“ und „Frau Mutter“ anredeten. Und auch hier eine zusätzliche Anekdote aus der bereits bekannten Quelle Welt der Sprachen:

Doch kommen wir noch einmal zurück auf die Überschrift zu diesem Beitrag, Sprache ist GEIL. Hätte ich früher diesen Satz in der Schule oder zu Hause ausgesprochen, eine Ohrfeige wäre das Mindeste gewesen. Doch inzwischen ist der Begriff gesellschaftlich akzeptiert und im Media-Markt ist sogar der Geiz geil. Doch wie kam es dazu? Ich habe etwas recherchiert und einige Eckpfeiler notiert:

Der Begriff G-E-I-L, genauer die Syntax, hat mehr als 1000 Jahre überdauert und dabei kontinuierlich seine Bedeutung verändert – ohne dass den Menschen die Verwendung des Begriffs nahegelegt oder verboten wurde.  Bereits im Althochdeutschen kannte man den Begriff geil, allerdings bedeutete er damals „beim Gären aufschäumen“ und hatte nichts mit der späteren, sexuellen Bedeutung zu tun, sondern war mehr ein „Fachbegriff“ aus dem kulinarischen Bereich.

Im Althochdeutschen also noch neutral-positiv, entsteht im Mittelhochdeutschen, so um 1500, zusätzlich eine negative Konnotation. Der Bezeichnete kann damit nicht nur als sinnlich und lustvoll bezeichnet werden, sondern auch als gierig – und zwar nach sexuellen Handlungen. Das nimmt so seinen Fortgang, die sexuelle Nebenbedeutung wird immer stärker, im prüden 19. schließlich wird geil erstmalig als Tabuwort angesehen, die sexuelle Neben- wird zur Hauptbedeutung.

Bis Sprachforscher um die Jahrtausendwende erkennen: Jugendsprache ist wichtig für den Sprachwandel. Jugendsprache ersetzt keine Wörter, sondern fügt dem Wortschatz neue Worte hinzu bzw. entwickelt diese irgendwie weiter. Ein gutes Beispiel sahen sie im Wort „geil“. Die ursprüngliche Bedeutung des Wortes wird gemäß Duden zwar immer noch eher abwertend für „sexuell erregt“ verwendet. Die Jugendlichen interessiert das aber nicht, sie geben „geil“ die neue Bedeutung „schön“, „großartig“ oder „toll“. Ein Wort, das inzwischen auch im täglichen Sprachgebrauch für Erwachsene angekommen ist.

Zum Schluss möchte ich allen Protagonisten danken. Ohne Moderatoren, Feministen, Journalisten und die üblichen Bezzerwizzer hätte ich diesen Exkurs in die Sprachwissenschaften nicht unternommen. Es hat aber richtig Spaß gemacht und inzwischen ist meine ursprünglich liberale Haltung zu diesem Thema einer klaren Erkenntnis gewichen. Sprache gezielt verändern, das ist so ähnlich wie sich von Douglas Adams das Fliegen beibringen lassen. Allerdings Vorsicht …

* Es ist eine Kunst, sagt er, oder vielmehr ein Trick zu fliegen. Der Trick besteht darin, dass man lernt, wie man sich auf den Boden schmeißt, aber daneben.

Such dir einen schönen Tag aus, schlägt er vor, und probier‘s. Der erste Teil ist ganz leicht. Er erfordert nichts weiter als schlicht die Fähigkeit, sich mit dem ganzen Gewicht nach vorn zu werfen, und den festen Willen, sich nichts daraus zu machen, dass es weh tut. Soweit klar?

Das Geheimnis ist jetzt, den Boden zu verfehlen: Das heißt, es wird weh tun, wenn es einem nicht gelingt, den Boden zu verfehlen. Den meisten Leuten gelingt es nicht, ihn zu verfehlen, und wenn sie es dann erst recht versuchen, besteht die große Wahrscheinlichkeit, dass es ihnen mit ziemlicher Wucht nicht gelingt, ihn zu verfehlen.

Zweifellos ist es dieser zweite Teil, nämlich das Verfehlen, der Schwierigkeiten bereitet.

* aus „Das Leben, das Universum und der ganze Rest“.

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