Tulip mania

Wie jedes Jahr im Spätherbst nahte auch dieses Jahr wieder der Tag des Blumenzwiebeln-Setzens. Ich schaffe meistens schon dadurch Fakten, dass ich meinem Mann einen ganzen Sack voll zum Geburtstag schenke, und das Auswählen und Einkaufen der Blumenzwiebeln im Gartencenter ist für mich eindeutig  der attraktivere Teil dieses Projekts.

Wenn ich dann anschliessend mit klammen Fingern in der kalten Novembererde wühle, frage ich mich doch hin und wieder, ob Tulpen im Frühjahr denn unbedingt sein müssen… Aber meine Antwort lautet letztendlich immer „Ja, sie müssen!“  In den Niederlanden sind Tulpen eine Art National-Heiligtum, und ein Garten, ein Kreisverkehr oder ein öffentlicher Platz sind im Frühling ohne sie kaum vorstellbar.

In zahlreichen Quellen wird ihre „Welttournee“ folgendermassen beschrieben: Von Asien gelangten die Tulpen in die Türkei und wuchsen – als Symbol für Macht und Reichtum – in den Gärten der „besseren Gesellschaft“.  Sultan Suleyman der Erste verschenkte hin und wieder Tulpen aus seinem Garten an wichtige Gäste – zum Beispiel an den österreichischen Botschafter aus Wien. Dieser hingegen schenkte einige weiter an Carolus Clusius, der zu dieser Zeit die Gärten des Kaisers von Österreich betreute. 1593 wurde Clusius Professor an der Universität im niederländischen Leiden und Chef des dortigen „Hortus Botanicus“ (Deutsch | Hortus (hortusleiden.nl)). In diesem botanischen Garten wurden die ersten Tulpen in den Niederlanden angebaut. – Wie klein die Welt doch selbst im 16. Jahrhundert schon war – zumindest für die High Society!

Damals stiegen die Tulpenpreise in Westeuropa wegen der grossen Nachfrage kontinuierlich und Tulpen  wurden zum Spekulationsobjekt an der Börse. Diese „Tulpenmanie“ war lt. Wikipedia die erste „gut dokumentierte Spekulationsblase der Wirtschaftsgeschichte“ – sozusagen die Bitcoins des 17. Jahrhunderts!

Beim Blättern durch den Frühlingsblüher-Katalog las ich die Namen der Tulpen – Erotik pur! Strong Love, Passionale, Sweet Rosie, Foxtrott, Charmeur, Pretty Woman. Was soll das? Es sind Blumen! – Und was ist von der Tulpe mit dem Namen „Fun for two“ zu halten? Derweil ich noch darüber nachdachte, welche Erwartungen geweckt würden, wenn mein Mann diese in seinem Geburtstagspaket findet, stiess ich auch auf prominente Taufpaten und –patinnen für Tulpen: Audrey Hephburn, Königin Beatrix und – last but not least – der niederländische Fussball-Nationaltrainer Louis van Gaal gaben Tulpensorten ihre Namen. (Ob die van-Gaal-Tulpe wohl umgetauft worden wäre, falls die niederländische Nationalmannschaft das WM-Qualifikationsspiel gegen Norwegen verloren hätte?)

Vielleicht haben viele Tulpen ja nur deshalb so „heisse“ Namen, damit man beim Einsetzen der Tulpenzwiebeln weniger friert? Um noch einmal auf die klammen Finger zurückzukommen – der psychologische Begriff des Belohnungsaufschubs spielt beim Eingraben der Frühlingsblüher eine grosse Rolle, wenn  Kinder mithelfen. „Garten-Kinder“ sind es zwar meist schon gewöhnt, ein paar Wochen zu warten, bis sich von den gesäten Radieschen das erste Grün zeigt, aber Tulpen und Narzissen mit der monatelangen Wartezeit, bis ein Resultat zu sehen ist, sind eine ganz andere Herausforderung!

Wilhelm Busch hat diese wichtige Erfahrung auf den Punkt gebracht: „Ausdauer wird früher oder später belohnt – meistens aber später.“

Quellen: De Zwarte Tulp, royalfloraholland.com, tulpen.nl, utopia.de, Wikipedia

Bildquellen

Autor: bbr

Hallo, ich bin Beate Brinkman, der bbr.harlekin. Ich bin Redakteurin und Autorin für den Harlekin.Blog e.V. und im “Hauptberuf” in einem international agierenden IT-Unternehmen als Support Coordinator tätig. Bisher habe ich in deutschen, niederländischen, amerikanischen und indischen Unternehmen gearbeitet und viele Erfahrungen mit multikultureller Zusammenarbeit machen dürfen. Seit vielen Jahren lebe ich als Deutsche in den Niederlanden und habe festgestellt, dass schon allein die kulturellen Unterschiede zwischen Deutschen und Niederländern ganze Bücher füllen können. Aus beruflichen und privaten Gründen gilt dem multikulturellen (Miss-)Verständis mein besonderes Interesse. Ob es um Essen, Sprache, dienstliche Conference Calls oder die Gestaltung von Begräbnissen geht – wenn die Kulturen mehrer Länder aufeinander stoßen, wird es spannend. Und das führt zu manchmal unerfreulichen, oft sehr komischen, aber immer lehrreichen Situationen.

Schreibe einen Kommentar

Deine E-Mail-Adresse wird nicht veröffentlicht. Erforderliche Felder sind mit * markiert