Puffer oder die Angst vor dem Unbekannten

Prolog: Das englische „buffer“ kann pauschal ins Deutsche als „Puffer“ übersetzt werden. Eigentlich eine treffende, eindeutige Übersetzung, wenn da nicht ein schelmisches Grinsen auf den Gesichtern einiger Westfalen wäre. Sie kennen „Puffer“ nämlich auch als IHRE regionale Spezilität – den Kartoffel-Puffer, wobei dieses einfache, aber äusserst wohlschmeckende Gericht praktisch in ganz Westeuropa unter verschiedenen lokalen Bezeichnungen zu finden ist: Reibekuchen, Reiberdatschi, Reibeplätzchen, Rievkoche, Riewekauken, Dotsch, Dötscher, Baggers, Pickert, Kartoffelplätzchen oder auch das schweizer Rösti. Auch auf die Gefahr hin, mir den Unmut einiger Lokalpatrioten zuzuziehen – mehr oder weniger alles das Gleiche und alles sehr, sehr lecker. Im Englischen übrigens weitestgehend als „potato pancake“ bekannt.

Im Interesse einer verständlichen Darstellung bitte ich darum, den Begriff „Puffer“ im folgenden Beitrag ausschliesslich im Sinne der Bedeutung „Reserve oder Risikozuschlag“ in der Projektplanung zu interpretieren. Danach ist ein Puffer oder die Pufferzeit „zeitlicher Spielraum für die Ausführung eines Vorganges“, also eine Zeitreserve.

Ist es nicht überraschend, dass auch im neuen Jahrtausend immer noch ca. 80% aller Projekte ihre Ziele nicht erreichen? Nach dem letzten CHAOS-Report waren nur 21% aller untersuchten Projekte im Rahmen ihrer Zielsetzung in Time and Budget. Trotzdem glauben immer noch viele Manager, erfolgreiche Projektplanung ist vor allem abhängig von der richtigen Ausbildung, etwas Erfahrung und natürlich – Disziplin. Umso erstaunlicher, dass ich auch nach Jahrzehnten im Kontext des Projektmanagements nur eine Handvoll Leute kenne, die erfolgreich planen und anscheinend die Projektlaufzeit richtig erraten können.

Die meisten von uns Sterblichen erleben Projekte als ein Abenteuer, eine Reise ins Ungewisse. Mit Beginn der Reise fehlen die meisten relevanten Informationen, trotzdem haben unsere Auftraggeber meistens kein Problem, schon einmal vorab den Fertigstellungstermin zu erfragen oder besser noch: sie geben ihren Wunschtermin einfach vor.

Die Vertreter der agilen Projektwelt weichen diesem Dilemma geschickt aus, indem sie grundsätzlich keine terminbezogenen Lieferzusagen machen, stattdessen das Projekt zu jedem beliebigen Zeitpunkt aber beenden/unterbrechen können.

Für diejenigen von uns, die in einem konventionellen Umfeld planen, (über-)leben und arbeiten müssen, bleibt nur eine Ausweg: Sie müssen lernen, elegant mit Risikozuschlägen und jeder Art von Puffern umzugehen. Wenn sie mit dem Auto zur Arbeit fahren, hat die Erfahrung sie auch bereits gelehrt, deutlich mehr Reisezeit (einen Puffer) einzuplanen als sie im günstigsten Fall brauchen werden, denn wer weiß schon was Mr. Murphy so für uns parat hält. Unsere persönliche Erfahrung basiert dabei auf dutzenden oder sogar hunderten von Reisen, nicht einer einmaligen Aktion wie im Projektkontext.

Puffer im Projekt können für den verantwortlichen Projektmanager eine persönliche Herausforderung werden. Risikozuschläge wurden mir dabei schon als Faulheit, Ressourcenverschwendung oder Planungsdefizite vorgehalten. Decke deine Puffer auf – und sie werden „korrigiert“. Erinnert Ihr Euch noch an StarTrek?

Scotty: „Dafür brauche ich 10 Stunden …“

Kirk:    „Du hast dafür drei !!“

Scotty: „Ich schaffe es in zwei !“

Ein anderes Mal wurde mir Leichtsinn unterstellt, weil ich es in diesem Fall unterlassen hatte, einen Puffer auszuweisen.

Den besten Vorschlag machte ein Kunde in München. Anstatt den Puffer als pauschalen Posten an das Ende des Projektplans zu stellen, sollte ich den Puffer denjenigen Aktivitäten zuordnen, bei denen ich die meisten Risiken und Verzögerungen erwartete.

Nach einer Weile erkannte ich, dass das grösste Risiko im Projekt in den Mitarbeitern mit Schlüssel-Know-How liegt. Diese werden zwischen Projekten und der Linie zerrieben, jeder will/braucht sie, so dass sie permanent in unterschiedliche Richtungen gezerrt werden. Ein weiteres Risiko erkannte ich in Tasks mit vielen Abhängigkeiten (law of probabilities). Eliyahu Goldratt entwickelte das zum „Critical Chain“ Ansatz weiter. Verlass Dich auf Deine persönliche Erfahrung mit kritischen Tasks oder Mitarbeitern und Du kannst ein bisschen besser schafen.

Das Schlimmste, was Du tun kannst, ist Deine Puffer verstecken. Zum einen ist es unethisch und zum anderen nimmst Du dir die Möglichkeit, etwas über Dich selbst und die eigenen intuitiven Fähigkeiten zu lernen.

Corporate Culture in Unternehmen zeigt sich im jeweiligen Umgang mit Risiken und Puffern. Wenn Deine Projektmitarbeiter bereits vom Management für Projektverzögerungen haftbar gemacht wurden und sie Deine Verantwortung für die Planeinhaltung nun erkannt haben, kannst Du absolut sicher sein – das passiert denen nicht wieder. Danach hat jeder Mitarbeiter schon seine eigene safety margin.

Eine Annahme dabei ist, dass Projekte grundsätzlich vorhersagbar sind. Schon per Definition allerdings nicht auf die gleiche Weise. Als Projektleiter solltest Du zusammen mit Deinem Team in der Planung „ihr Bestes geben“, um dann auf dieser Basis das Projekt zu tracken und Abweichungen frühzeitig erkennen. So lassen sich dann auch kurzfristig notwendige Korrekturmassnahmen einplanen. Natürlich hat Dein Sponsor das Recht zu wissen, wann er denn sein neues Spielzeug bekommt, als Projektleiter ist es aber Deine Aufgabe, diese Erwartungshaltung realistisch zu positionieren.

 

Englischer Originaltext: BCO
Bearbeitete deutsche Übersetzung: UTO

Bildquellen

Autor: bco

Hallo, ich bin Bernie Cornwell, der bco.harlekin. Wie schon meine Signatur-Kappe unten suggeriert, bin ich Wirtschaftsflüchtling aus England und seit der Brexitabstimmung Wahlexilant. Über Umwege via Sprachunterricht und Sozialarbeit bin ich bei der IT gelandet. Ich war in die Technik total verknallt und nach meinem ersten Realisierungsprojekt bei einer Berufsgenossenschaft habe ich mich als Business Analyst und Projektleiter sukzessiv immer weiter von der Technik entfernt… Inzwischen verdiene ich mein Brot als Berater, Trainer und Coach im Projektgeschäft in jeder beliebigen Branche. Mein Hintergrund und meine Reiselust führen mich überwiegend zu Einsätzen in der ganzen Welt oder/auch bei multikulturellen Unternehmen im deutschen Sprachraum. Mit den Jahren hat sich meine berufliche Einstellung wesentlich geändert. Früher Missionar in der Sache des methodischen Vorgehens, sehe ich mich nun eher als Lebenshelfer im Projektumfeld. Das Arbeiten in einem Projektteam kann lehrreich, stimulierend und begeisternd sein; es soll weder Mission Impossible noch Himmelskommando sein. Projekte können der beste Ansatz sein, Innovation, Wirtschaftlichkeit und reizvolles Arbeiten zu fördern. Warum lieben Projektleiter den „surrealistischen“ Dilbert? Weil er tägliche Projektsituationen darstellt, die wir wiedererkennen. Und weil sie leider recht realistisch sind.

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