In der letzten Woche habe ich Ihnen von meinem Erlebnis mit der Winkelspinne erzählt. Jetzt bin ich Ihnen noch schuldig, wie es weiter ging….
Leider ist Angst im beruflichen Umfeld und vor allem im Führungsalltag ein Tabu-Thema. Wir haben ausweichende Formulierungen gefunden, um Angst zu beschreiben: wir befürchten etwas, wir sehen Risiken, etwas macht uns Sorgen, wir haben eine Herausforderung, wir müssen was stemmen und so weiter. Ich glaube, dass manche Entscheidungen in Unternehmen deshalb nicht getroffen werden oder sich lange hinziehen, weil viele Menschen damit beschäftigt sind, Katastrophenerwartungen einzelner vorzubeugen oder sie zu verhindern. Ich glaube, dass viel Zeit, Geld und Ressourcen vergeudet werden, weil Angst ein Tabuthema ist.
Und wie begegnet man Ängsten?
Mein Kung Fu – Meister sagt: „Angst ist eine Illusion. Setz dich mit dem Objekt der Angst auseinander und entdecke, was dir wirklich Angst macht. Und dann reagiere auf die Realität und nicht auf deine Vorstellungen.“
Natürlich ist es wichtig, sich dem angstbesetzten Thema analytisch zu nähern.
Der Körper der weiblichen Winkelspinne wird in Deutschland nicht größer als 2 cm, mit Beinen kann sie einen Durchmesser von 8 cm erreichen. Aber meistens sind die Beine angewinkelt (!) und daher wirkt sie viel kleiner. Insgesamt sind Winkelspinnen nicht größer als eine kleine Hand.
Aber für mich ist sie größer! Sie ist in meiner Vorstellung größer als die größte entdeckte Spinne im südamerikanischen Urwald (und die wird ausgewachsen ca. 30 cm groß!). Eine Winkelspinne hat keinen Beißapparat, der menschliche Haut durchdringen kann. Aber gilt das auch für diese Spinne? Und gilt das auch für meine Haut? Merken Sie was? Ich reagiere auf meine inneren Bilder, nicht auf ein 6 cm großes Tier. Ich kann mich noch so intensiv mit Araneae und Arachnida beschäftigen, meine Angst vor ihnen bleibt.
Wieso ist das Thema Angst für Führungskräfte so wichtig?
Weil auch Führungskräfte Menschen sind.
Wenn wir uns immer wieder bewusst unseren Ängsten stellen, statt ihnen auszuweichen und uns doppelt und dreifach abzusichern, lernen wir, dass Angst einfach da ist. Ich muss mich durch sie nicht aufhalten lassen, muss ihr keinen besonderen Stellenwert geben (es sei denn bei Taranteln!), sondern gehe einfach weiter auf mein Ziel zu. Wenn ich als Führungskraft Angst vor Unsicherheit habe, muss ich in meinem Wirkungsfeld den Grad der Unsicherheit erhöhen, um Souveränität zu erlangen (Werden Sie doch mal Product Owner in einem agilen Projekt!). Wenn wir Angst vor Versagen haben, sollten wir herausfordernde Aufgaben in unseren Alltag integrieren, bei denen wir uns blamieren könnten (Lernen Sie Jazz-Gitarre spielen und gehen Sie in eine Bigband!).
Irgendwann entsteht etwas Neues in meiner Haltung zum Objekt der Angst. Irgendwann löse ich mich von meinen inneren Bildern, verändere sie und erlebe ein Gefühl von innerer Freiheit.
„Ich habe Angst.“ ist ein Satz, den ich in Meetings selten höre. In Einzel-Coachings schon eher. Wir sollten wieder lernen, dass Angst eine grundlegende Erfahrung im Leben ist, sie dazu gehört und wir viel aus und im Umgang mit ihr lernen können.
Wollen Sie übrigens wissen, wie ich mein Auto erreicht habe? Ich habe Tegenaria parietina einen Namen gegeben, sie heißt jetzt Käthe. Und hätten Sie Angst, wenn Sie sich Käthe mit klitzekleinen Flipflops an ihren Beinen vorstellten?
Bildquellen
- 231872_web_R_K_by_heinz dahlmanns_pixelio.de (1): Heinz Dahlmanns / pixelio.de