Der Vogel in der Kunst

Je mehr ich das Bild betrachte, desto stärker wandert mein Blick vom Gesicht der alten, schäbig aussehenden Frau zur Eule auf ihrer Schulter. Die Eule steht hier für Trunkenheit und schlechtes, vulgäres Benehmen. Im 18. Jh. gab es den Ausdruck „Betrunken wie eine Eule“. Das Bild hängt in der Gemäldegalerie in Berlin, wurde 1630 von Frans Hals gemalt und heißt Malle Babbe1, 2. Eulen gelten auch als weise wegen ihrer geschärften Sinne und ihrer Nachtsichtfähigkeiten, die bereits die alten Griechen faszinierten. Die Eule war das Begleittier der Göttin Athene, der Schutzgöttin Athens und der Göttin der Weisheit.

Seit mehr als 40.000 Jahren sind Menschen von Vögeln fasziniert.  Das weiß man aus verschiedenen Höhlenzeichnungen, z. B. die aus Chauvet in Frankreich. Es heißt, im Vogel spiegle sich die Seele der Menschheit wider und das bringt die Kunst in ihrer Vielfältigkeit zum Ausdruck. Frank Matthias Kammel, Generaldirektor des Bayrischen Nationalmuseums, sieht den Vogel als Partner des Menschen, weil er dem Mensch akustisch beisteht, denn er singt ja meist. Ich werde Dich heute auf eine Reise mitnehmen in Darstellung und Symbolik des Vogels in der Kunst. Dabei handelt es sich eher um eine kurze Reise, ein Wochenend-Trip so zu sagen, denn das Thema ist riesig. Vögel sind eigene ästhetische Individuen in der Kunst.  

In einer auf 3sat ausgestrahlten Sendung3 berichtete der Sprecher, der Vogel sei ein Symbol für Reinheit und Freiheit, weil er fliegen kann – eine Sehnsucht des Menschen. Er ist aber auch ein Symbol des Friedens und der Eitelkeit, weil viele Vögel wunderschön aussehen. Und eben ein Zeichen für Trunkenheit und, wir kommen später dazu, der lockenden Erotik.

Wir alle kennen Darstellungen der weißen Taube, die in der christlichen Mythologie den Heiligen Geist darstellt (siehe Matthäus-Evangelium) und auch heute noch als Friedenssymbol gilt. Aber warum ist die Taube zu einem Friedenssymbol geworden? Als Noah 40 Tage mit seiner Arche unterwegs war, entließ er 3 Tauben. Eine kam mit einem Ölzweig im Schnabel wieder, wodurch Noah erkannte, dass Land in der Nähe sein musste und Gott mit den Menschen Frieden geschlossen hatte. Doch als wesentlicher erscheint mir der Beitrag von Pablo Picasso, der 1944 in Paris der Kommunistischen Partei beitrat. Kommunisten und Pazifisten organisierten 1949 den ersten „Weltkongress der Kämpfer für den Frieden“, zu dem Picasso gebeten wurde, ein Plakat mit Friedenssymbol zu gestalten4

Der Schwan gehört zu den schönsten und edelsten unter den Wasservögeln. Kommt man seinen Jungen zu nah, wirkt er auch gerne mal kraftvoll angriffslustig. In der Kunst steht er einerseits für Reinheit. Andererseits hat er aber auch eine ambivalente Bedeutung: weißes Federkleid und dunkles Fleisch! In einer Jägerzeitung stand über den Verzehr von Schwan in früheren Adelshäusern: Dem toten Tier wurde nach dem Braten das eigene Federkleid wieder übergestülpt und der Schwan mit Draht wieder in seine natürliche Form gebracht.13 Dieser Gegenpol von dunkel und hell zieht sich bis heute durch Kunst und Wissenschaft. Peter I. Tschaikowsky hat diesen Kontrasten mit Schwanensee ein ganzes Ballett gewidmet. Nassim Nicolas Taleb kreierte den Begriff „Schwarzer Schwan“. Der Begriff beschreibt unvorhersehbare Ereignisse, die höchst unwahrscheinlich sind, überraschend eintreten und mit denen niemand rechnet. Und im Nachhinein stellt sich heraus, dass man schon Hinweise auf das Ereignis hat finden können. Woher der Begriff kommt? Das natürliche Verbreitungsgebiet von schwarzen Schwänen ist Australien, das erst im 17. Jh. entdeckt wurde. In der Antike galt eine treue Ehefrau als ein schwarzer Schwan, ein Vogel, den man in Griechenland eben noch nicht kannte.

Susie Green schreibt in ihrem Buch Bird Messages: Der Schwan sagt uns: Sehe ich so aus, als ob die Gegensätzlichkeit ein Problem ist? (Der Satz erinnert mich irgendwie an James Bond – Sehe ich so aus, als ob mich das interessiert?). Ich blühe und gedeihe in schwarz und weiß. Und bei Jeff Koons gibt es gelbe, rote, pinke, blaue und grüne Schwäne, die Du für teures Geld kaufen kannst5.

Der Schwan hat auch eine Berühmtheit erlangt als erotisches Objekt, angelehnt an die griechische Mythologie. Ledas Weigerung, sich Gott Zeus hinzugeben, veranlasste diesen, sich der Angebeteten in Gestalt eines Schwans zu nähern, was diese dermaßen verzückte, dass sie sich dem Schwan hingab… . Was hatte Leda plötzlich mit ihren Augen? Ist der göttliche Schwan nun ein geschickter Verführer oder ein testosteron-gestörter Vergewaltiger? Man weiß es nicht, aber der Schwan galt viele Jahrhunderte als Symbol für das Nackte. Das Bild, das Coreggio dazu um 1532 gemalt hat, kannst Du als Druck für ein paar Dollar bei etsy erwerben.

Wo wir gerade dabei sind: In der Genre-Malerei des 17. Jahrhunderts findet man in vielen Gemälden Vogelkäfige mit und ohne Vögel, mit offenen oder geschlossenen Türchen. Vogelkäfige sollen Anlockmittel für die Männer gewesen sein. Voegelen war übrigens ein niederländischer Begriff für den Geschlechtsverkehr7. So viel zur Völkerverständigung.

Und dann der Pfau! Der alte Angeber! Um das Weibchen zu beeindrucken, stellt er 150 Federn auf und lässt sie zittern. Das macht die unscheinbaren Weibchen ganz närrisch. In der Kunst des 15. und 16. Jahrhunderts symbolisiert der Pfau neben anderen Figuren die Auferstehung und die Unsterblichkeit. Diese Symbolik der Wiedergeburt kannte man auch in der Antike. In der christlichen Tradition ab dem Spätmittelalter war der Pfau ein Sinnbild für Maria als Himmelskönigin und auch für die Liebe zu Gott.

Die schon erwähnte Balz des Pfauenhahnes, sein schillernder Kopf, das Hals- und Brustgefieder sowie sein prachtvolles Rückengefieder machen ihn natürlich auch zum Symbol der Sinneslust, Eitelkeit und Stolz. Sich mit fremden Federn schmücken stammt übrigens vom römischen Fabeldichter Phaedrus (geboren etwa 20 vor Chr.), der das Thema Eitelkeit mit einer Geschichte über den Pfau verband. Der Pfau gehörte demnach zur Göttermutter und war damit der schönste Vogel in der Tierwelt.

Im Stillleben mit totem Geflügel von Johann Heinrich Roos (17.Jh.) wird deutlich, welche Herausforderung der malende Künstler meistern musste8. Federn sind sehr schwer zu zeichnen, weil sie so feingliedrig und immer wieder anders sind. Und doch, an die Gefieder von echten Vögeln reichen die fein gemalten nicht heran. Manchmal dient der Vogel auch zum Experiment mit der Farbe, wie bei Claude Monet9, der in einem seiner ersten Bilder besonders mit farbigen Schatten arbeitete und dazu eine Elster in den Fokus des Betrachters einer winterlichen Landschaft setzte.

Wie stark sich Max Ernst mit seinem Vogel-Alter Ego „Loplop“ identifiziert hat, beschrieb der Künstler in seinen Tagebüchern und ist hinreichend erforscht. Das Auktionshaus Christie’s hat einen kurzen Text zu diesem Phänomen veröffentlicht10. Der Künstler hatte wirklich einen Vogel, den er brauchte, um seine surrealistische Dada-Kunst darstellen zu können11, 12.

Johann Andreas Naumanns Naturgeschichte der Vögel Mitteleuropas, 1905 1. Auflage, ist ein Klassiker und zentrales Werk in der Ornithologie. Erst 2018 wurden die erstaunlich detaillierten Zeichnungen und Aquarelle in diesen Büchern als Kunstobjekte betrachtet. Vorher galten sie lediglich als Wiedergaben der Natur. Überhaupt sind gemalte Vogeldarstellungen oft naturgetreuer als Fotos, daher ist auch der aktuelle Kosmos-Vogelführer mit gezeichneten Bildern versehen.

Es gibt noch so viel über die Vögel in der darstellenden Kunst zu berichten, aber zu einem späteren Zeitpunkt. Im Moment recherchiere ich zu den Themen „Der Vogel im Film“ und „Der Vogel in der Musik“. Freu‘ Dich auf mehr.

Bis dahin wünsche ich Dir von Herzen: Hab einen schwingenden Jahresübergang und ein beflügeltes neues Jahr.

1 Malle Babbe: https://useum.org/artwork/Malle-Babbe-Anonymous
2 https://en.wikipedia.org/wiki/Malle_Babbe
3 https://www.3sat.de/kultur/kulturdoku/tierart-voegel-100.html
4 https://news.masterworksfineart.com/2020/08/04/picassos-dove-of-peace#continue-reading
5 Beispiel: https://www.galerie-breckner.de/shop/jeff-koons-balloon-swan-magenta-2019/
6 https://www.etsy.com/listing/713594469/canvas-art-print-of-correggio-leda-and?gpla=1&gao=1&
7 http://www.lexikonderlust.de/doku.php?id=voegelen
8 https://www.kunstkopie.de/a/roos-johann-heinrich/stillleben-mit-totem-gefluegel-1.html
9 https://gaz.wiki/wiki/de/The_Magpie_(Monet)
10 https://www.christies.com/features/10-things-to-know-about-the-surrealist-artist-Max-Ernst-11518-1.aspx
11 https://www.theartstory.org/artist/ernst-max/
12 https://edoc.hu-berlin.de/bitstream/handle/18452/8068/zuch.pdf
13 https://forum.wildundhund.de/threads/schwan-ekelig.55646/

Bildquellen

Autor: hfi

Hallo, ich bin Heike Fillhardt, der hfi.harlekin aus dem Rheingau. Ich leite und begleite seit Anfang der 90er Jahre Veränderungsprozesse in internationalen Unternehmen im Rahmen von Reorganisationen, Fusionen und Leitbildumsetzungen. Dabei vertraue ich auf die Kraft der Gruppe und arbeite nach dem Grundsatz: es gibt immer eine Lösung, egal wie lange es dauert. Viele Führungskräfte empfinden sich als „lonesome hero“ – ein Bild, das sich – wem auch immer sei Dank – endlich auch in Deutschland zu verändern scheint. Und ich freue mich über jedes Projekt im Rahmen von Agilität. Neben Erfahrungen aus dem klassischen Projekt- und Changemanagement bringe ich auch breites systemisches Methodenwissen ein. Ich bin Scrum-Master und Leadership Agility Coach. Erkenntnisse aus meinen verschiedenen physio- und psychologischen Ausbildungen fließen ebenso in mein Wirken ein wie meine Erfahrung als Dozentin und Mutter. Ich wirkte 14 Jahre als Managementberaterin, Coach und Trainerin in verschiedenen Unternehmen. Seit 2007 bin ich selbständige Beraterin mit eigener Coachingpraxis. Seit 2012 bin ich Kung-Fu-Schülerin. Und im Laufe der Jahre flossen immer mehr Körperübungen in meine Workshops und Trainings ein. Denn nur wer sich bewegt, ist auch langfristig erfolgreich. Meine Kunden schätzen vor allem das Umsetzen der theoretischen Themen in Spiel und Körperübungen, meine systemische Sicht auf das ganze Feld, das schnelle Einstellen auf situative Bedürfnisse, meine klare und wertschätzende Sprache und die konsequente Zielverfolgung.

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