Das „Brötchen gesund“

Eine kulinarische Irreführung

In den Niederlanden steht in jedem Lunchroom, bei jedem Bäcker, der belegte Brötchen verkauft und in jedem Café das „broodje gezond“ auf der Speisekarte. Das fand ich anfangs sehr beeindruckend, denn es ist ja keine Selbstverständlichkeit, als Konkurrenzprodukt zu weniger gesunden Genüssen auch eine gesunde Alternative angeboten zu bekommen. Ich will es mir auch nicht mit allen Brötchenladen-Eignern im Lande verderben und sogleich all derer lobend gedenken, deren „Brötchen gesund“ auch wirklich gesund sind. Aber nach meinen Erfahrungen handelt es sich dabei um eine sehr kleine Minderheit.

Bei allen Sympathiepunkten, die ich diesem Land und seiner Gastronomie ansonsten gerne zu geben bereit bin – hier hört der Spass aber auf! Denn in den meisten Fällen besteht das „broodje gezond“ lediglich aus einem (meist nicht mal Vollkorn!) Brötchen, bestrichen mit Butter, Margarine oder Mayonnaise (!) und belegt mit Käse und/oder Kochschinken. Der einzige Unterschied zum „ungesunden“ Brötchen liegt in einem Salatblatt und 2-3 Tomatenscheiben, die hinzugefügt werden! Dieser kleine Unterschied ist dann besonders deprimierend, wenn das Salatblatt bereits bessere Tage hinter sich hat und die Tomatenscheiben direkt aus dem Eisfach serviert werden – für alle Parodontose-Patienten noch eine zusätzliche Herausforderung.

Ich bin natürlich nicht die einzige, die sich über diese irreführende Werbung empört, und die Niederlande wären nicht die Niederlande, wenn dieser Sachverhalt nicht breit und kontrovers diskutiert würde. Die Debatte erreicht dabei ein beinah philosophisches Niveau. Wenn ein Brötchen mit zwei Tomatenscheiben und einem Salatblatt zumindest ein bisschen gesünder ist als ein Brötchen ohne, darf dann das Endprodukt den Beinamen „gesund“ bekommen, nur weil es geringfügig gesünder ist als ein Produkt ohne diese Zutaten? Gute Frage.

Darf diese Farbe „schwarz“ heissen:

weil sie ein bisschen schwärzer ist als diese?

Beim Surfen im Internet zur Brötchen-Frage habe ich den Eindruck gewonnen, dass auch die diversen Initiativen für gesunde Ernährung sich in diesem Punkt eher scheu aufstellen. Auf Fragen von Leserinnen und Lesern zu diesem Thema wird sehr vorsichtig manövriert. Demnach hängt es von verschiedenen Aspekten ab, ob das „broodje gezond“ nun gesund ist oder nicht:

1. Was man sonst noch über den Tag verteilt isst oder beinah gegessen hätte – oder nicht. Nach dem Motto: Hat man sich gegen den gemischten Salat und für das „broodje gezond“ entschieden, ist das „broodje gezond“ natürlich nicht gesund, weil der Salat gesünder gewesen wäre. Hat man den restlichen Tag über nur Schokolade oder gar nichts gegessen, dann ist das „broodje gezond“ allerdings der Gesundheits-Höhepunkt des Tages.

2. War Mayonnaise drauf oder Magarine? Wieviel Schinken? Und wieviel Salz war im Schinken und im Käse? Und gab es als Topping gar noch eine Sauce oben drauf? Auch das beeinflusst das Ranking.

3. Hat man gute Blutdruckwerte oder nicht? Und wie viele Kalorien arbeitet man im Durchschnitt wieder ab? Braucht man aus irgend einem Grund viele Kohlenhydrate?

Die Fragenliste kann noch beliebig verlängert werden.

Es wundert mich nicht, dass das „broodje gezond“ selbst in einem Rap-Song Erwähnung findet – als Beispiel, dass auf nichts im Leben wirklich Verlass ist. (Qlas & Blacka:“Zelf ein broodje gezond, is niet eens gezond. Dus-Dus-Dus is je homie, wel je homie?“ – Was bedeutet: „Selbst ein „Brötchen gesund“ ist nicht mal gesund. Darum – ist dein Kumpel auch echt dein Kumpel?“) Da kann man mal sehen, was irreführende  Namensgebung bei der Jugend anrichtet!

(Und nochmal zurück zur Farbe: Nein, es ist nicht schwarz – es ist grau! – So!)

Bildquellen

Autor: bbr

Hallo, ich bin Beate Brinkman, der bbr.harlekin. Ich bin Redakteurin und Autorin für den Harlekin.Blog e.V. und im “Hauptberuf” in einem international agierenden IT-Unternehmen als Support Coordinator tätig. Bisher habe ich in deutschen, niederländischen, amerikanischen und indischen Unternehmen gearbeitet und viele Erfahrungen mit multikultureller Zusammenarbeit machen dürfen. Seit vielen Jahren lebe ich als Deutsche in den Niederlanden und habe festgestellt, dass schon allein die kulturellen Unterschiede zwischen Deutschen und Niederländern ganze Bücher füllen können. Aus beruflichen und privaten Gründen gilt dem multikulturellen (Miss-)Verständis mein besonderes Interesse. Ob es um Essen, Sprache, dienstliche Conference Calls oder die Gestaltung von Begräbnissen geht – wenn die Kulturen mehrer Länder aufeinander stoßen, wird es spannend. Und das führt zu manchmal unerfreulichen, oft sehr komischen, aber immer lehrreichen Situationen.

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