Gefälschte Korrelationen?

Immer wieder taucht der fälschlicherweise Winston Churchill zugeschriebene, ziemlich einfältige Spruch auf: Traue keiner Statistik, die du nicht selbst gefälscht hast. Übrigens ist wahrscheinlich Josef Goebbels der Urheber (gemäss Werner Barke in: ‘Ich glaube nur der Statistik… Was Winston Churchill über Zahlen und Statistik gesagt haben soll – und was er wirklich sagte.’). Das aber nur am Rande.

Statistik ist zunächst einmal nichts anderes als das Sammeln von Daten, deren Darstellung in Form von Tabellen und Grafiken, deren Analyse und ggf. deren Interpretation. Es ist müssig aufzuzählen, wo überall uns Statistiken begegnen, denn es gibt keinen Bereich, in dem Statistik keine Rolle spielen würde.

Warum aber unterstellen Menschen anderen Menschen bei der Erhebung oder der Zusammenstellung von Daten zu fälschen? Benutzt wird diese angebliche ‘Weisheit’ meiner Beobachtung nach immer dann, wenn Menschen mit Statistiken konfrontiert werden, deren mögliche Interpretation diesen Menschen nicht in den Kram passt, was m.E. mehr über die zitierende Person als über die Statistik aussagt.

Ich denke, da gibt es mehrere Gründe, die nicht nur im Humankapital bedingt sind. Ein wesentlicher Grund scheint mir zu sein, dass viele Menschen offensichtlich von Statistik keine Ahnung haben und uns dies auch noch – wenn auch unbewusst –  öffentlichkeitswirksam wissen lassen. Talkshows, Interviews, Pressekonferenzen, Bundestagsdebatten, Zeitungsartikel und auch Geschichtsbücher sind voll davon. Dies bezieht sich zum einen auf die Verwechslung und Vermischung von Kausalität und Korrelation und zum anderen auf die irrige Annahme, man müsste Statistiken fälschen, um eine gewünschte Deutung nahezulegen.

Betrachten wir zunächst den ersten Grund. Korrelation bedeutet, dass zwischen zwei oder mehreren Merkmalen, Ereignissen, Zuständen usw. eine mathematisch beschreibbare Beziehung existiert, was aber nicht bedeutet, dass das eine das andere bedingt. Kausalität bedeutet, dass das eine das andere verursacht. So wurde mir als Abiturient Im Zuge der Behandlung des Nationalsozialismus vermittelt, dass Arbeitslose in besonderem Masse die NSDAP gewählt hätten, was völliger Quark ist und nur darauf fusste, dass die Autoren schlicht übersahen, dass hohe NSDAP-Wahlergebnisse zu Zeiten hoher Arbeitslosigkeit nicht bedeutet, dass Arbeitslose klassische NSDAP-Wähler waren. Dies als Beispiel dafür, was die Konsequenz einer solchen Verwechslung sein kann.

Ein grafisches Beispiel

Dem orangehäutigen Ex-Präsidenten würde ich zutrauen, aufgrund dieser Grafik die Staatsausgaben für Wissenschaft zu reduzieren. Weitere absurde und lustige Beispiele sind ganz einfach zu finden (Scheinkorrelation im Internet suchen).

Ein sehr viel aktuelleres Beispiel stammt aus der ‘Unstatistik des Monats’ (https://www.rwi-essen.de/unstatistik/), nämlich aus dem Dezember 2021. Dr. Ute Bergner, diplomierte Physikerin und parteilose Abgeordnete im thüringischen Landtag übergab der Gesundheitsministerin eine Studie, die für den Zeitraum zwischen der 36. und 40. Kalenderwoche zwischen der Übersterblichkeit in den Bundesländern und deren Impfquote eine positive Korrelation (0.31) aufwies. Zum besseren Verständnis: Eine Korrelation von 0.31 ist lächerlich gering und nicht signifikant, sprich kann auch Zufall sein. Maximal negative Korrelation liegt bei -1 vor und maximal positive bei +1). Und warum gerade die Wochen 36-40? Ganz einfach: Weil die Korrelation für den Zeitraum von Woche 20 -40 einen noch übleren Wert (0.14) erbrachte und für die Wochen 36-44 sogar eine negative und höhere Korrelation aufwies (-0.37).

Gemäss dem EMIS-Report von 2017 existiert in der Schweiz eine statistisch relevante Korrelation zwischen der Einschätzung der persönlichen Einkommenssituation und der sexuellen Zufriedenheit, womit wir bei Punkt zwei, der Deutung sind. Fan:innen des Harlekin mögen doch bitte kurz reflektieren, welche Annahme gerade durch den Kopf schoss. ‘Wohlhabende haben den besseren Sex’, oder ‘Arm, aber dafür mehr Spass im Bett’?

Wer tatsächlich Statistik zur Meinungsmanipulation benutzen möchte, ist typischerweise nicht so naiv zu glauben, dass Fälschungen helfen, wenn das doch auch viel subtiler geht. Weglassen oder Hervorheben ist viiiiiel besser, weil ja auch nicht gelogen, wie das Beispiel von Frau Dr. Bergner zeigt. Nehmen wir für den Moment an, dass die Dame im Zuge ihres Studiums mindestens Grundkurse in Statistik belegen musste, also um die Fragwürdigkeit wusste, stellt sie ein wunderbares Beispiel für Verquickung beider Möglichkeiten dar: Korrelation wie Kausalität wirken lassen UND Weglassen/Hervorheben. Sollte allerdings unsere Annahme des bewussten Handelns falsch sein, scheint mir Aufatmen dahingehend angebracht, dass die Dame in die Politik gegangen ist und nicht zur Reaktortechnik.

Bildquellen

Autor: rge

Hallo, ich bin Rüdiger Geist, der rge.harlekin vom Zürichsee. Als Politikwissenschaftler verlor ich sehr schnell den Glauben an Rationalität und den homo oeconomicus. Also suchte ich mir was Handfesteres und Logischeres: die Informatik. Feste Regeln, unmittelbares Feedback vom Compiler und nicht viel mit Menschen zu tun haben. Ihr erahnt es schon, es kam ganz anders. Schnell wurde ich zum Projektleiter ernannt, hörte sich auch toll an, wusste aber nicht so genau was das eigentlich ist. So nach etwa drei Jahrzehnten im Umfeld von Projekten meine ich nun zu wissen worum es da geht und so trage ich nun meine Erkenntnisse seit 2005 mittels eigenem Unternehmen in die Welt hinaus, ja sogar in die EU. Es gibt so viele schöne Zitate, die die unterschiedlichsten Facetten des Projektmanagements beschreiben und ich nutze sie gerne. Aber das beste stammt natürlich von mir selbst: Der Zweck des Projektmanagement ist «no surprises».

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