Respekt (Teil 3)

Harlekin „mixed“

Respekt vor der Leistung anderer

Da das Thema „Respekt“ uns sehr am Herzen liegt, haben sich mehrere Harlekine dazu geäussert. Hier unser Harlekin „mixed“ mit den gesammelten Kommentaren:

Wir beginnen mit einem Kommentar unseres Gastautors Martin Miller. Martin is Psychotherapeut und lebt in der Schweiz.

MMI

Dieses Thema ist sehr interessant, habe ich doch als Therapeut tagtäglich mit diesem Beziehungsproblem zu tun. Meistens sind es Probleme, die entstehen, weil Menschen ohne Respekt behandelt werden. Was heisst das? Sie fühlen sich nicht ernst genommen, werden gedemütigt, werden nicht wahrgenommen, werden klein gemacht, werden diskriminiert, werden wie Luft behandelt usw. 

Früher war es klar, dass man den Personen Respekt zu zollen hat, wie es einem in der Erziehung befohlen wurde. Man zeigte sich ehrerbietig und die Person verdiente von vornherein Respekt, weil sie einen sozialen Status besass, der ganz natürlich den Respekt aller erwartete. Heute ist das nicht mehr so. Man muss sich den Respekt erarbeiten. Man muss eine gewisse Leistung erbringen und oft genügt das nicht. Der Respekt gegenüber anderen Menschen ist nicht der einzige Punkt. Wir haben heute viele Anwendungen dieses Ausdruckes: Respekt vor den Tieren und der Umwelt, Respekt gegenüber anderen Menschen, kein Rassismus, Respekt vor den Menschenrechten. Wir haben diesen Ausdruck in letzter Zeit viel gehört – Erdogan, Putin, Trump, Bolsonaro, Lukaschenko usw. Wir haben praktisch keine globale Autorität, die den Respekt anderen gegenüber einfordern könnte. Man muss dem Respekt als Haltung und Einstellung in Beziehungen die Gleichgültigkeit und Negierung seiner Umwelt gegenüberstellen.

MHA

Als ich kleiner war, dachte ich, man müsste Respekt gegenüber Älteren zeigen. Ich schiebe das mal auf die Erziehung und hielt es lange für sinnvoll. Hat ja auch was mit Gegenseitigkeit zu tun und als kleiner Stups ist einem schnell klar, dass man nur was bekommt, wenn man dafür auch was tut.

Dann wurde ich älter und stellte irgendwann fest, dass dies für viele nicht zu gelten scheint. Auch viele Ältere haben keinen Respekt vor Jüngeren, teils anlassbezogen, teils aufgrund schlechter Erfahrungen mit anderen Jüngeren. Wir Menschen können anscheinend schlecht differenzieren. Seither frage ich mich zunehmend, wie es sich mit Respekt verhält. Mit dem Alter hat es jedenfalls nichts zu tun. Mit Vertrauen? Ja, auch. Mit Peer-Group? Sicher. Mit anderen? Hoffentlich! Gegenseitig: Ja, bitte…

HFI zum Thema „Respekt vor der Natur“

Der Insektenbestand sinkt, die Diversität vor der Haustür schwindet, aber die Nachbarn laben sich an ihrem Stein-Vorgarten, der wenig Arbeit macht und „ordentlich“ aussieht. Wir sind betroffen vom Klimawandel und fahren unsere SUV ganz selbstverständlich durch die Welt. Gegen die Luftverschmutzung müsste auch mal was getan werden, denken wir, während wir gleichzeitig zum Brötchenholen beim Bäcker um die Ecke das Auto nutzen. „Unsere“ Natur muss unbedingt geschützt werden, während die nächste Kreuzfahrt oder die exotische Reise in entfernte Urlaubsparadiese geplant wird. Selbstverständlich fliegen wir dorthin.

Der Regenwald ist die Lunge der Welt. So wurde es mir im Erdkunde-Unterricht beigebracht. (Warum habe ich diesen Satz eigentlich nie vergessen?) Aber er ist ja so weit weg, da kann ich von hier aus gar nichts machen, um ihn zu schützen. Ich könnte die Liste dieser Widersprüche endlos fortsetzen.

Die Erde ist ein System, das sich ständig erneuert und funktioniert, so lange man es nicht (empfindlich) stört. Sie ist eine große Einheit, manche Wissenschaftler sprechen auch von einem komplexen, lebendigen Wesen. Es tut gut, sich der Natur um sich herum bewusst zu werden und zu erkennen, dass wir Teil dieses großen Wesens sind. Respekt bedeutet mindestens die Überprüfung, was wir tun können, damit Natur natürlich bleibt. Wenn wir der Natur weiterhin schaden, schaden wir uns selbst. Somit ist Respekt vor der Natur konsequent Respekt vor uns selbst.

BBR zu „Respektspersonen“

Der Anspruch, gegenüber Älteren Respekt zu zeigen, hat natürlich auch meine Kindheit begleitet – und wurde noch verstärkt durch die Kinderliteratur aus den 50er und 60er Jahren, die in der örtlichen Bibliothek zur Ausleihe bereitstand. Sätze wie “Man korrigiert nicht die Erwachsenen.”, “Kinder haben still zu sein, wenn Erwachsene reden.” etc. konnten bei mir als Leseratte direkt ihre indoktrinierende Macht entfalten.

Dennoch ist es nicht dieser Aspekt, an den ich mich beim Stichwort “Respektsperson” als erstes erinnere, sondern eher der berufs- und rollenspezifische Respektanspruch. Ich bin in einer westfälischen Kleinstadt in den 60er Jahren aufgewachsen – und mit dem Weltbild, dass bestimmte Personen “Respektspersonen” sind: der Rektor der Schule, der Hausarzt und natürlich ganz besonders der “Herr Pastor”. (Und die Kirschen auf der Respektspersonen-Torte waren der Chefarzt im Krankenhaus und der Bischof!) Respektspersonen waren damals nicht die Menschen, deren Handeln man besonders respektierte, sondern die, bei denen man sich nicht traute, ihnen zu widersprechen. Es wurde zunächst einmal unterstellt, sie würden aufgrund ihrer Kenntnisse und Erfahrungen sicher alles besser wissen.

Doch sah die Realität für uns Kinder manchmal anders aus. In den ersten Schuljahren war es keineswegs der Rektor meiner Schule, vor dem ich den meisten Respekt (sprich: die meiste Angst) hatte, sondern der Hausmeister, der in Sachen Mülltonnen und Fahrrad-Parkplatz ein unbarmherziges Regiment führte.

Als Teenager bekam mein Bild von der Respektsperson aufgrund der beruflichen Position erste Risse. Wenn der “Herr Pastor” von der Kanzel predigt, dass am 2. Weltkrieg ja allein die Russen Schuld waren – wie kann es sein, dass niemand etwas sagt? Und nach der soundsovielten Fehldiagnose vielleicht doch mal den Hausarzt zu wechseln – warum ist das undenkbar?

Heute hat sich da glücklicherweise vieles verändert – ein deutlicher Hinweis, dass früher eben nicht alles besser war. Ein Politiker, der jeden Finanzbeamten, der sich zu sehr für seine privaten Vermögensverhältnisse interessiert, einfach in die Provinz versetzen lässt? Das war bis in die 80er Jahre hinein noch möglich, heutzutage nicht mehr. (Und wenn doch, wird die Welt es nicht erst Jahre später erfahren!)  Ansonsten halte ich es mit Benjamin Franklin:

Ein wahrhaft großer Mann wird weder einen Wurm zertreten noch vor dem Kaiser kriechen.

BCO (Grumpy Old Man)

Für mich, vielleicht aufgrund meiner britischen Erziehung, ist Höflichkeit eng mit Respekt verbunden. Harlekin UTO erwähnte „Danke“ und „Entschuldigung“ als Zeichen des Respekts, und ich würde noch weiter gehen. Gelegentlich ärgere ich mich über das Verhalten von Kunden jeden Alters, die es fertigbringen, der Verkäuferin mit nur einem Wort zu sagen, was sie wollen, ansonsten wortlos den dargebotenen Artikel an sich reissen und an der Kasse die Kassiererin weder grüssen noch sich bedanken oder sich verabschieden. Und das ist die Person, die uns während der ganzen Pandemie treu hinter einem behelfsmäßigen Plastikschild bedient hat, als ob das ein ausreichender Schutz für den ganzen Tag wäre. Ich möchte schreien: „Hat Ihnen denn niemand gute Manieren beigebracht?!“

Es scheint nur ein kleiner Schritt zu den sensationshungrigen Zuschauern zu sein, die mehr darauf bedacht sind, ein gutes Video zu bekommen, um es online zu posten, als Sanitätern oder Feuerwehrleuten zu erlauben, zum Unfallort zu gelangen, geschweige denn den Opfern zu helfen.

Die Worte der Höflichkeit an sich haben wenig Bedeutung, aber ihre Funktion ist es, Respekt zu zeigen. Ich denke nicht, dass bestimmte Personen aufgrund ihrer sozialen Stellung Respekt verdienen; JEDER, mit dem wir in Kontakt kommen, verdient Respekt, bis er das Gegenteil beweist.

„Niemand ist eine Insel, in sich ganz; jeder Mensch ist ein Stück des Kontinents, ein Teil des Festlandes. … Jedes Menschen Tod ist mein Verlust, denn ich bin Teil der Menschheit; und darum verlange nie zu wissen, wem die Stunde schlägt; sie schlägt dir selbst.“ (John Donne 1624)

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