Fly to my love, oh my pretty flamingo

Vögel in der Musik (Teil 2)

Als meine Harlekin-Kollegin HFI von dem Beitrag über Vögel in der Musik erzählte, den sie gerade schrieb, sagte ich „Ich weiß auch noch ganz viele Lieder, in denen Vögel vorkommen“ – und begann direkt über „La Paloma, ohe“ und „Wenn die Kraniche ziehen“. Meine Harlekin-Kollegen konnten daraufhin nur mit Mühe ihr Entsetzen verbergen, aber auch auf die Gefahr hin, das intellektuelle Niveau des Harlekin.blog um einiges sacken zu lassen, finde ich: Das Thema „Vögel in der Musik“ ist ohne den Schlager nicht komplett.

Wenn man sich die Texte genauer anschaut, wundert man sich hin und wieder, mit was für unlogischen oder selbst völlig sinnlosen Resultaten die Schlagertexter:innen früher durchgekommen sind! Viele Schlagerfans haben bei den Texten anscheinend nicht echt zugehört, solange die Musik flott genug war. Der Höhepunkt der inhaltlichen Leere wurde dabei in den 70er Jahren erreicht. Die Band „Middle oft the Road“ kam in Europa in die Hitlisten mit „Chirpy Chirpy Cheep Cheep“ – und das Geschwister-Duo Mac und Katie Kissoon in den USA. Und dies ist der Refrain:

Last night I heard my momma singin‘ a song
Ooh wee, chirpy chirpy cheep cheep
Woke up this mornin‘ and my momma was gone
Ooh wee, chirpy chirpy cheep cheep
Chirpy chirpy cheep cheep chirp

Eigentlich eine tragische Geschichte – und wer da genau zirpt und warum, und was das eine mit dem andere zu tun hat, bleibt völlig im Dunkeln und wird selbst noch zu Beginn der Internet-Ära auf diversen Plattformen diskutiert.

Bei den Vogel-Liedern gibt es drei Gruppen: Die, in denen die Sänger:innen die Perspektive des Vogels einnehmen und die entweder von Flucht, Freiheit oder Fernweh handeln („Una paloma blanca – I’m just a bird in the sky“), die, bei denen sie den Vögeln mit allerlei aufgedrängten Ratschlägen oder eigenartigen Wünschen lästig fallen, und die, bei denen die Interpret:innen den Vögeln mit der eigenen Gesellschaft „drohen“.

Viele dieser Songs sind im zoologische Sinne verwirrend, zum Beispiel das im Titel erwähnte Lied über die Flamingos (Kategorie 3) . Im Text heisst es:

„Fly to my love, oh my pretty flamingo
Hin zu ihm, würd ich gern mit Euch ziehn.“

Da fragt mach sich doch, welchen Grund sollte eine Kolonie Flamingos haben, bei einem Flug an einen anderen Ort ausgerechnet die Sängerin dieses Songs, Peggy March, mitzunehmen? Und woher sollen die Flamingos wissen, wo genau deren Liebster gerade ist? Und wie hat sich Peggy das mit dem „mitziehen“ wohl genau vorgestellt? Zu Land, zu Wasser oder in der Luft? Fragen über Fragen…

Ein Lied der Kategorie 2 ist Stefan Remmler’s „Vogel der Nacht“. Der Vogel soll helfen, die Partnerin zurückzugewinnen, die er anscheinend durch eigene Schuld vergrault hat:

Vogel der Nacht flieg hinauf bis zum Mond
Schaue von dort wo die Liebste jetzt wohnt
Flieg zu ihr hin, sag ihr ich bin allein
Vogel der Nacht sie muss mir verzeihn (Man beachte hier das “muss”!)
Sing ihr mein Lied sag es bricht mir das Herz
Vogel der Nacht sing von Liebe und Schmerz

Die Aufforderung „Flieg hinauf bis zum Mond“ zeigt einen außerordentlichen Optimismus bezüglich der Kondition des Vogels – so etwas ist auch nur bei der Neuen Deutschen Welle denkbar. Die umgekehrte Tendenz finden wir im folgenden Song der Sängerin Nicole:

Flieg nicht so hoch, mein kleiner Freund,
die Sonne brennt dort oben heiß
wer so hoch hinaus will, der ist in Gefahr
Flieg nicht so hoch, mein kleiner Freund,
glaub‘ mir, ich mein es gut mit dir
keiner hilft dir dann, ich weiß es ja
wie’s damals bei mir war.

Hier wird der Vogel durch menschliche Besserwisserei bei völliger Ahnungslosigkeit entmutigt, und wen wundert es angesichts dieser düsteren Warnungen, dass der „kleine Freund“ in der letzten Strophe tot auf der  Strasse  liegt? Das hat er dann davon! Wieso hat er auch nicht auf Nicole gehört?

Aber schräge Metaphern und eigenartige Vergleiche sind bei der Schlagermusik nicht den Vögeln vorbehalten. Erinnert sich noch jemand an den Hitparaden-Klassiker  „Schmetterlinge können nicht weinen“?

Bildquellen

Autor: bbr

Hallo, ich bin Beate Brinkman, der bbr.harlekin. Ich bin Redakteurin und Autorin für den Harlekin.Blog e.V. und im “Hauptberuf” in einem international agierenden IT-Unternehmen als Support Coordinator tätig. Bisher habe ich in deutschen, niederländischen, amerikanischen und indischen Unternehmen gearbeitet und viele Erfahrungen mit multikultureller Zusammenarbeit machen dürfen. Seit vielen Jahren lebe ich als Deutsche in den Niederlanden und habe festgestellt, dass schon allein die kulturellen Unterschiede zwischen Deutschen und Niederländern ganze Bücher füllen können. Aus beruflichen und privaten Gründen gilt dem multikulturellen (Miss-)Verständis mein besonderes Interesse. Ob es um Essen, Sprache, dienstliche Conference Calls oder die Gestaltung von Begräbnissen geht – wenn die Kulturen mehrer Länder aufeinander stoßen, wird es spannend. Und das führt zu manchmal unerfreulichen, oft sehr komischen, aber immer lehrreichen Situationen.

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