Bye Bye Blackbird 

Der Vogel in der Musik

Es ist mal wieder Frühling und die Ornithologin kommt zu Wort. Wenn mich morgens (sehr) früh, die Amsel, das Rotkehlchen und andere stimmgewaltige Vögel wecken, lässt mich diese Kakophonie von Lauten, Tönen, Klängen, Stimmen und Resonanzen, die schnarren, zwitschern, trillern, schlagen, schreien, pfeifen unwillkürlich lächeln. Hör doch mal in den Song „Grantchester Meadows“ aus dem Album „Ummagumma“ von Pink Floyd rein, der mit dem Gesang einer Lerche beginnt. Dann hast Du eine Vorstellung davon, was ich meine. (Übrigens: Ich empfehle, das Stück bis zum Ende zu hören.)

Inspiriert zu diesem Artikel wurde ich durch das Essay von Beatrix Saadi-Varchim1 über die Musik der Vögel, die mit der Frage begann: Warum singen Vögel eigentlich? Biologen fanden heraus, dass es vorwiegend um Revierabgrenzung, Warnrufe und ums Werben des Männchen um ein Weibchen geht. Ok, dieses Wissen ist bekannt und wird schon in der Schule vermittelt. Mittlerweile vermuten  Ornithologen allerdings auch, dass Vögel manchmal einfach nur zum Spaß singen. Frag  mich nicht, wie sie das rausbekommen haben. Aber ich kann mir gut vorstellen, dass die beiden vielseitigsten Könner unseres Vogelreiches, die Schwarzdrossel und die Nachtigall, sich ab und zu selbstverliebt an ihrem eigenen Gesang ergötzen.

Diese Begeisterung für die vernehmbare akustische Vielfalt ist es wohl auch, die Komponisten aus allen Musikrichtungen bewogen hat, die Töne der Natur durch Instrumente nachzuahmen oder den Gesang in ihre Kompositionen zu integrieren. Um Dir diese Phänomene in der Musik näher zu bringen, habe ich mit Begeisterung „Songs“ gesucht und gefunden und diese in eine Spotify-Playlist zusammengefügt2. Ich habe viel gefunden, und ich finde immer noch. Vermutlich ist für jede Leser:in (äh – ich meine Hörer:in) etwas dabei: von klassischer Musik aus längst vergangener Zeit bis zur Gegenwart, von Jazz über Rock und Pop. Und es gibt es noch viel mehr zu entdecken. Wenn Du also selber auf die Suche gehst und Songs findest, bitte stell  die Links in die Kommentare. Ich füge sie dann der Playlist zu. So entsteht eine Vielfalt, die der polyphonen Natur Rechnung trägt.

Ich möchte einige Lieder und Kompositionen hervorheben, die mich besonders beeindrucken.

Da ist zum Beispiel „Peter und der Wolf“ op. 67, das Musik-Märchen von Sergej Prokofjev aus dem Jahre 1936, das ich schon als Kind leidenschaftlich gerne hörte, und meine Tochter teilte diese Begeisterung, als sie ein Kind war. Alle Tiere und handelnden Personen werden durch Instrumente repräsentiert. So „zwitschert“ die Querflöte wie ein kleiner Vogel und die Oboe „quakt“ wie eine Ente.

Ein anderes, für manche Hörer:in ungewohntes Beispiel, ist das 2005 entstandene Album „Why Birds sing“ des Jazz-Musikers und Philosophen David Rothenberg, der Originaltöne einspielte und dazu frei improvisierte. „Ich bin daran interessiert, Musik zu nutzen, um mehr über die natürliche Welt zu lernen.“3 erklärt er in einem Interview. Dem ist er bis heute treu geblieben.

Camille Saint-Saens‘ Suite für Kammerorchester „Der Karneval der Tiere“ aus dem Jahre 1886 ist vielen bekannt. Der Komponist war unter anderem kurzzeitig an einer Schule beschäftigt. Als dort musikalische Parodien auf dem Lehrplan standen, wurde er überredet, ein humorvolles Stück über Tiere zu schreiben. Saint-Saens ließ es zu seinen Lebzeiten nicht zur Aufführung kommen, weil er Bedenken hatte, dass das Stück nicht ernst genug sei für die Öffentlichkeit. Weniger bekannt, aber ebenso brillant, ist Edward Elgars „Owls“, ein Chorsatz op 53, Nr. 4. Wenn ich ihn höre, denke ich an ein Eulenpaar in der Balz (üblicherweise im Winter!).

Kommen wir zu einem meiner Lieblingsvögel, der Schwarzdrossel: Olivier Messiaen  hat ihr 1951 ein Denkmal gesetzt mit seiner Kammermusik für Flöte und Klavier, die ich immer und immer wieder hören kann. Der Vogel-faszinierte Messiaen durchstreifte seit seinem 18. Lebensjahr die Natur und notierte Vogelstimmen. Ab 1950 wurden  Vögel ein wichtiger  Schwerpunkt seines kompositorischen Schaffens, das daher auch das „Vogeljahrzehnt“ genannt wird. Diese Begeisterung krönte er mit dem dreizehnteiligen Klavierzyklus „Catalogue d’oiseaux“, in den er 77 Vogelrufe einbaute, teilweise verfremdet, weil überzogen verlangsamt. Zur Orientierung hat er an den entsprechenden Stellen den Namen des Vogels geschrieben, manchmal sogar um Orte, Jahres- und Tageszeiten ergänzt.

Das Lied „Blackbird“ ist ein Beatles-Evergreen, in der die Band auch den originären Gesang einer Schwarzdrossel eingebaut hat. Aber kennst Du auch das virtuose Gitarren-Solo vom kürzlich verstorbenen Jeff Beck mit dem gleichen Namen, in dem er mit einer Amsel korrespondiert?

Von Miles Davis und John Coltrane gibt es die Aufnahme „Bye Bye Blackbird“ (Original von Jerome H. Remick und Ray Henderson aus 1926) aus dem legendären Album „Round About Midnight“ von 1957. Fünf Jahre später gab John Coltrane seinem Live-Album den gleichen Namen und brillierte mit einer verlängerten Version des Songs. Und das ursprüngliche Vögelchen hören Sie auf dem Album „Wonderful Morning“, eine Sound of The Earth – Produktion.

Als im Jahre 2020 alle Welt im Lockdown verschwand, entstand das Bird Song Project, die zweite Inspiration für diesen Artikel. Die Sammlung “is a collection of 172 pieces of new music inspired by the beauty of birdsong, performed by artists from across the musical spectrum”4. Insgesamt kamen 220 Künstler, darunter bekannte Schauspieler, Literaten und bildende Künstler zusammen, um die Freude, die Vögel in unser Leben bringen, zu feiern. Mehr dazu unter audubon.org.5

Und zum Schluss des Artikels noch der Hinweis, dass es natürlich auch viele Kinderlieder gibt, in denen Vögel besungen werden, wie z. B. (Vorsicht Ohrwurmgefahr!) „Alle Vögel sind schon da…“. Und eine besonders schöne Fassung verschiedener Kinder-Vogel-Songs stammt von Bodo Wartke, die ich nicht auf die Playlist gestellt habe, weil sie als YouTube-Video viel bewegender ist6.

Ich könnte noch über viele Vögel und deren Musik schreiben, z. B. die Nachtigall, den Kuckuck oder den Pirol. Das werde ich auch weiter tun, vielleicht im August, wenn die meisten Vögel wieder verstummen. Jetzt möchte ich Dich einladen, einzutauchen in die Welt der Vögel und der Musik, eine Welt der Vielfalt und der Kreativität. Die Playlist ist ein Angebot, und die Einladung steht: Ergänze sie, wie immer Du möchtest, nur sollten die Songs zum Thema passen. Viel Freude dabei.

1 https://vogelgetwitter.de/die-musik-der-voegel-die-voegel-in-der-musik/
2 Und hier ist die von mir zusammen gestellte Playlist: https://open.spotify.com/playlist/6SoCKQfgUimIkUh5dwrJhZ?si=71345c4912ba4d38
3 aus Claudia Dreifus: A conversation with David Rothenberg; Ode with a Nightingale and a Thrush and a Lyrebird, NYT 20.09.2005
4 https://www.thebirdsongproject.com/for-the-birds
5 Hier die Playlist “For the Birds: The bird son project, Vol 1”: https://open.spotify.com/playlist/3kXeK6Ns0YNsinoa7qnfyf?si=cd1361470eeb4b33
6 Bodo Wartke, Der Vogelfänger  Bodo Wartke – Der Vogelfänger bin ich ja – YouTube

Bildquellen

Autor: hfi

Hallo, ich bin Heike Fillhardt, der hfi.harlekin aus dem Rheingau. Ich leite und begleite seit Anfang der 90er Jahre Veränderungsprozesse in internationalen Unternehmen im Rahmen von Reorganisationen, Fusionen und Leitbildumsetzungen. Dabei vertraue ich auf die Kraft der Gruppe und arbeite nach dem Grundsatz: es gibt immer eine Lösung, egal wie lange es dauert. Viele Führungskräfte empfinden sich als „lonesome hero“ – ein Bild, das sich – wem auch immer sei Dank – endlich auch in Deutschland zu verändern scheint. Und ich freue mich über jedes Projekt im Rahmen von Agilität. Neben Erfahrungen aus dem klassischen Projekt- und Changemanagement bringe ich auch breites systemisches Methodenwissen ein. Ich bin Scrum-Master und Leadership Agility Coach. Erkenntnisse aus meinen verschiedenen physio- und psychologischen Ausbildungen fließen ebenso in mein Wirken ein wie meine Erfahrung als Dozentin und Mutter. Ich wirkte 14 Jahre als Managementberaterin, Coach und Trainerin in verschiedenen Unternehmen. Seit 2007 bin ich selbständige Beraterin mit eigener Coachingpraxis. Seit 2012 bin ich Kung-Fu-Schülerin. Und im Laufe der Jahre flossen immer mehr Körperübungen in meine Workshops und Trainings ein. Denn nur wer sich bewegt, ist auch langfristig erfolgreich. Meine Kunden schätzen vor allem das Umsetzen der theoretischen Themen in Spiel und Körperübungen, meine systemische Sicht auf das ganze Feld, das schnelle Einstellen auf situative Bedürfnisse, meine klare und wertschätzende Sprache und die konsequente Zielverfolgung.

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