
Was braucht es, damit ein echter Gedanken- und Gesprächsfluss entsteht?
Generatives Zuhören
Es braucht die Offenheit, Andersartigkeit zuzulassen, ja sie sogar mit Neugier einzuladen. Und es braucht die 100-prozentige Konzentration auf die Anderen.
Radikaler Respekt
Der Dialog erfolgt auf Augenhöhe, bemüht um ein tiefes Verständnis miteinander. Auf Schuldzuweisungen, Kritik, Entwertungen und Diffamierungen wird im Dialog verzichtet. Ich darf sein, wie ich bin. Und die anderen auch.
Vom Herzen sprechen
Die am Dialog Beteiligten sprechen nur, wenn es wirklich etwas zu sagen gibt (herrliche Aussichten!), was ihnen wirklich wichtig ist (noch herrlicher).
Lernende Haltung
Ich kenne nur meine Welt und auch diese nicht vollständig. Mit Neugier, Interesse und in angemessenem Tempo begegne ich der Welt der Anderen.
Suspendieren
Statt einfach eine Emotion „rauszuhauen“ oder unreflektiert andere anzugehen, erforsche ich meine Empfindungen. Welche Emotion empfinde ich gerade? Woher kommt sie? Woran erinnert sie mich? Was liegt hinter meiner Emotion? Was ist mein Bedürfnis hinter der Emotion? Ein Kollege von mir drückt es so aus: Ich hänge die Emotion wie eine Lampe vor mich hin und betrachte sie. So halte ich Gefühle in der Schwebe und laufe nicht Gefahr, durch Impulsivität den Fluss des Gesprächs zu stoppen.
Denkprozess erläutern
Suspendieren heißt nicht, dass keine Gefühle im Dialog eine Rolle spielen. Aber ich lebe sie nicht unkontrolliert aus. Ich erkläre mich stattdessen der Gruppe und lasse andere verstehen, was mich gerade beschäftigt. Es ist ein wesentlicher Unterschied für mich und für die anderen, ob ich meinen Ärger unreflektiert rauslasse oder ob ich sagen kann: „Ich fühle den Ärger.“ Wenn ich den Ärger fühle, distanziere ich mich gleichzeitig von ihm. Ich lerne den Ärger zu managen, und mich nicht vom Ärger überrumpeln zu lassen.
Containing
Und in einem gemeinsam getragenen und für jeden sicheren Vertrauensraum kann ein gegenseitiges Verstehen entstehen. Das ist für mich die Grundlage für nachhaltige Transformation.
Wie geht es Ihnen jetzt? Hört sich schwer an, was ich schreibe? Ich gebe gerne zu, dass ich völlig überfordert war, als ich vor 25 Jahren zum ersten Mal mit dem Dialog konfrontiert wurde. Doch heute gibt es keinen organisatorischen Transformationsprozess mehr, ohne dass ich die Prinzipien des Dialogs mit Entscheider- und Projektteams praktiziere. Dialog nach David Bohm ist für mich ein Weg, aus einer Gruppe ein wirkliches Team zu entwickeln. Es braucht regelmäßiges Üben und am Anfang sicher eine erfahrene Moderation. Denn wir brauchen Neugier und Mut, um Neues zu wagen und Transformation tiefgründig und nachhaltig zu gestalten. Dadurch, dass wir in einem Dialog ganz da sein können und nicht nur in der Rolle, die andere von uns erwarten, gesellen sich zum Vertrauen auch Transparenz, Professionalität, Erfolg und Freude, unverzichtbare Zutaten für eine wirkungsvolle organisatorische Umgestaltung.
„Nur wenn wir etwas von uns zeigen, können andere uns verstehen. Durch offene Kommunikation wird unsere Zusammenarbeit verlässlicher. Sie vermittelt ein Gefühl von Sicherheit, das helfen kann, Unsicherheiten und Probleme anzusprechen.“ (Neue Narrative, Heft 10)
Dialoge können eine große Freude bereiten, sie sind für mich der Nukleus erfolgreicher Transformation in Organisationen. Aber die Freude wirkt nur kurz, wenn wesentliche Prinzipien außer Acht gelassen werden.
Wenn Sie tiefer ins Thema „Dialog“ einsteigen wollen, schenke ich Ihnen noch einige Literaturempfehlungen:
- Martina & Johannes Hartkemeyer, Dialogische Intelligenz
- David Bohm, Infinite Potential
- Lee Nichol & David Bohm, Der Dialog
- William Isaacs, Dialog als Kunst gemeinsam zu denken
Und nun wünsche ich Ihnen viel Spaß beim Experimentieren. Oder wie es eine liebe Kollegin, mit der ich regelmäßig Dialogues on change durchführe, einmal erwähnte: „Eigentlich müssen wir nur echt miteinander reden, dann entsteht Gutes.“
Bildquellen
- trees-6361892_1920: Gerd Altmann / Pixabay