
Verfasser dieses Beitrags ist unser Gastautor Christoph Henties.
Ein Refrain zur Strategie
„Gespürt ist nicht erkannt.
Erkannt ist nicht formuliert.
Formuliert ist nicht verkündet.
Verkündet ist nicht verstanden.
Verstanden ist nicht einverstanden.
Einverstanden ist nicht angewandt.
Angewandt ist nicht beibehalten.
Beibehalten ist nicht gespürt.
Gespürt ist nicht …“
Ob man nun Jazz- oder Klassikliebhaber ist, pulsierenden Swing oder gefühlvolle Balladen liebt, jeder kann den obigen Refrain, das „Lied der Strategie“, auf seine Weise musikalisch intonieren. Und in der Regel klingen ja Harmonien und Lieder, besonders wenn man diese mag, wie ein Ohrwurm in der Erinnerung – spielen sich sozusagen von selbst vor dem „geistigen Ohr“ fast unfreiwillig wiederkehrend ab. Wie schön, wenn diese Metapher auch für die umfangreich erarbeiteten strategischen Planungen in den Unternehmen gelten würde.
Doch in der Praxis von Organisationen kennen Führungskräfte und Mitarbeiter nicht einmal eine Strophe ihres „Liedes der Strategie“, geschweige, dass sie als Gruppe zusammen „musizieren“ – im Takt und in time.
In der Musik einigen sich Musiker auf eine Tonart, einen Rhythmus, um das Zusammenspiel ihrer Kompetenzen mit ihren jeweiligen Instrumenten und einem gehörigen Maß an Zuhören zu einem Konzert zu bringen. Mit musikalischen Fähigkeiten beziehen sie sozusagen eine Position, zeigen eindeutig im Zusammenspielen Haltung. Und wenn dann alle auf den Punkt genau rhythmisch spielen, es sozusagen groovt, dann spricht man davon, dass „tight“ gespielt wird. Das ergreift dann auch den weniger Interessierten unter den Zuhörern. Und zuvor haben sie über Stunden und Monate hinweg einzeln oder gemeinsam ihr instrumentelles Handwerkszeug bzw. das Zusammenspielen geprobt. Das Publikum, der Zuhörer quittiert das schließlich mit Applaus und dem Wunsch nach einer Zugabe.
Der Refrain reißt mit, gibt die Richtung vor. Es ist der regelmäßig wiederkehrende Teil eines Lieds oder Gedichtes. In den Strophen liegt die ergänzende Information. Auf den Refrain lässt man sich ein, darin liegt die Umsetzung, das Folgen, man verlässt sich darauf. Der Stratege handelt richtungsweisend, gibt Information; der einsetzende Refrain gibt Vertrauen. Strophe und Refrain verlassen sich aufeinander. Bei „sogenannten“ kollektiven Strategien in Musik, Sport oder Kunst basieren die Handlungen von Orchestern, Mannschaften oder Künstlerkollektiven auf gemeinsamen Grundideen.
Nun aber zurück in die Unternehmen: Strategieentwicklung und deren erfolgreiche Realisierung sind ein Aspekt der Organisationsentwicklung. Der Wortursprung Strategie kommt aus dem chinesischen Begriff der Strategeme, was wörtlich „etwas aus dem Nichts zaubern“ bedeutet. Vor über 2.000 Jahren entstanden im alten China die so genannten Strategeme als eine Sammlung aus Listen, Tücken und Verhaltensweisen, die die Kunst der Kriegsführung lehrten. Was für den Angriff eines Heeres gilt, hat in vielerlei Hinsicht auch in ganz alltäglichen Situationen Bedeutung. Dieses Vorgehen hat noch heute ungeheure Brisanz: in der Wirtschaft, im Zusammenleben von Menschen, in der Psychologie, in der Politik – bis hinein in die Freizeit.
Im Sport und Fußball findet man ausgiebige Begrifflichkeiten zur Strategie mit mehr oder weniger Erfolg. Verliert eine Fußballmannschaft wertvolle Tabellenplätze, fliegt der Trainer, denn es bedarf eines Verantwortlichen, damit es sich zum Besseren wendet. Und die Mannschaft siegt danach unmittelbar, denn wäre dem nicht so, würde sie sich ja selbst als das Problem vorführen. Auch ausgetüftelte Strategien sind nicht davor gefeit, Feigenblätter für erwartete Veränderungen zu sein – und damit Placebos für den Erfolg.
In den Unternehmen bestimmen häufig kennzahlendominierte Formalisten mittels PowerPoint-Karaoke und BWL-Esperanto die Richtung. In Folge wird deren Handeln zur Kreativität erklärt; dieser Typus kennt jenseits dieser „Kennzahlen-Welt“ keine Wirklichkeit.
„Wenn ihr’s nicht fühlt, ihr werdet’s nicht erjagen,
wenn es nicht aus der Seele dringt
und mit urkräftigem Behagen
die Herzen aller Hörer zwingt.
(Johann Wolfgang von Goethe)
Weiterentwicklung braucht Mut, den Mut zu hinterfragen. Mut, sich auf unbekanntem Terrain zu bewegen sowie Mut, Unsicherheiten zu ertragen. Mut, zu vertrauen – sich und anderen.
Zurück zur Musik: sie berührt so sehr, weil sie Menschen anspricht, weil sie die Menschen mitnimmt. Im Fühlen, nicht nur im Kopf. Liegt darin die Chance für Veränderungen?
Professionalität ist die Basis, ohne die nichts wirklich funktioniert, die jedoch nicht ausreicht, um Besonderes zu erreichen. Die gemeinsame Emotion ist letztendlich das, was Strategien erfolgreich macht. „Gespürt ist nicht erkannt …!“
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- piano-1655558_1920: Steve Buissinne / Pixabay