Respekt (Teil 1)

Wie du mir, so ich dir

Respekt vor der Natur

Meine erste bewusste Bekanntschaft mit dem, was mit Respekt bezeichnet ist, erfuhr ich ohne diesen Begriff zu kennen im frühen Kindesalter als die – manchmal nachdrückliche – Aufforderung, meinen Eltern und Großeltern zu gehorchen und mich ihnen gegenüber respektvoll zu verhalten.

Also Respekt als Achtung vor den Älteren. Das sitzt heute noch tief. Noch als Achtzigjähriger würde ich einer älteren Dame meinen Sitzplatz in der S-Bahn anbieten. Irgendwann in meinem Leben erweiterte sich mein respektvolles Verhalten gegenüber dem Alter zu weiteren Eigenschaften wie eindrucksvollen Leistungen, Kompetenzen, …. Bis mir dann bewusst wurde, dass Respekt kein Wert ist, der nur von mir gegenüber anderen zu erbringen ist, sondern auch ich erwartete, dass mir gegenüber respektvoll umgegangen werden soll. Was das in welcher Situation auch immer genau heißen mag. Wahrnehmbar wird es bei mir als Gefühl, dass irgendwas nicht passt und dadurch das Bewusstsein getriggert wird.

Respekt ist ein wichtiger Teil meiner Werteordnung geworden. Respekt haben und Respekt erwarten können. Da achte ich auf Wechselseitigkeit. Daher ist Respekt ein vertrauensbildendes Merkmal einer Beziehung – oder auch nicht!

Wenn ich in meiner Lebensgeschichte zurückblicke, erkenne ich, dass sich im Laufe meines Lebens auch geändert und erweitert hat, wovor ich Respekt habe. Nach wie vor vor Menschen. Aber darüber hinaus und umfassender respektiere ich heute ein zeitlich begrenztes Lebewesen der Spezies Homo sapiens und damit eine vorübergehende Entität des Erdsystems zu sein. Anmaßende Worte? Vielleicht. Kann man denn vor dem System Erde Respekt haben? Nach meiner Erkenntnis ja und er prägt meine Haltung. Diese Haltung wiederum ist für mich die Basis für verantwortungsvolles Handeln in dieser VUKA-Welt.

Meine Haltung im Sinne des Kant’schen Imperativs als Handlungsprinzip für meine Artgenossen ist ein Traum, in dem sie Respekt gegenüber allen und allem praktizieren. Respekt vor Unterschieden aller Art: Ethnien, Geschlechter, Hautfarbe, Kultur, Ideologien, Religionen – kurz Respekt vor dem Leben.

Und die Gegenwart? In unserer liberalistisch geprägten Gesellschaftsform erlebe ich eine zunehmende Individualisierung. Durch sie ist eine unglaubliche Meinungsvielfalt entstanden. Eine Pluralität von “Wahrheiten”, der allerdings ein Hauptnenner fehlt. Soziale Medien ermöglichen die Vernetzung Gleichgesinnter und fördern das, was wir neuerdings mit Blasenbildung bezeichnen. Es geht überwiegend um die Durchsetzung von Wahrheitsansprüchen. Respekt? Wir vertreten die Wahrheit, so tönen sie. Respekt erwarten wir von den Andersdenkenden. So einseitig verstanden pervertiert Respekt zu Machtanspruch, Geltungshoheit, Ignoranz gegenüber allem, was von eigenen Überzeugungen abweicht.

Und die Zukunft? Wem oder was gebührt unser Respekt? Darauf wird jede und jeder eine eigene Antwort haben. Aber hoffentlich spielt dabei die Achtung vor dem Leben und diesem Planeten eine zentrale Rolle. Das sieht auf den ersten Blick als eine einseitige Beziehung aus, die ich oben kritisiert habe. Doch bei genauer Betrachtung ist sie das nicht. Der Planet wird es uns danken und unseren Kindern und Kindeskindern die Existenz ermöglichen.

Bildquellen

  • Respekt vor der Natur: UTO

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