Rentnerphantasien

Zur Klärung gleich am Anfang: Der Titel bezieht sich nicht auf irgendwelche Phantasien irgendwelcher Rentner, sondern es geht um die Phantasien, die Menschen zwischen 60 und 67 über ihre eigene Rentnerperiode haben, die ihnen bevorsteht, aber noch nicht  begonnen ist. Bei geselligen Abenden mit Freunden kommt das Thema immer mal wieder auf den Tisch, und die diesbezüglichen „Phantasien“ sagen nicht nur viel aus über die Wesensart der am Gespräch beteiligten, sondern auch über die Herausforderungen ihres jeweiligen beruflichen Alltags.

Die Ideen zur Frage „Was fange ich mit meiner Zeit an, wenn ich nicht mehr berufstätig bin?“ sind so vielfältig wie die Menschen. Die einen träumen vom täglichen Ausschlafen als Symbol der neuen Freiheit, die anderen vom stets griffbereiten Wohnmobil und abenteuerlichen Touren durch Europa. Es werden neue Hobbies geplant, Ehrenämter erwogen oder recherchiert, ob der bisherige Beruf auch als Minijob fortgesetzt werden kann. Ein Mitglied meiner Familie machte das, was bis zur Rente ihr Beruf war, ohne Pause zwischendurch als Ehrenamt weiter (allerdings mit weniger Stunden). Und bei den Typen, die herausfordernde Projekte für’s Wohlbefinden brauchen, trifft man meist schon im ersten halben Jahr der Rentnerzeit eine Grossbaustelle in Haus oder Garten an – manchmal sehr zum Verdruss der jeweiligen Partnerinnen und Partner.

Berufliche „Schreibtischtäter“ planen mehr Sport und Bewegung, körperlich schwer Arbeitende träumen davon, „endlich mal die Beine hochzulegen“. Und der Plan, alle Bücher noch einmal zu lesen sowie alle LP’s/CD’s nochmal zu hören und dann auszusortieren, kann bereits die ersten Rentenjahre komplett füllen. In meinem Umfeld fällt auf, dass einige Freunde, Kollegen und Familienmitglieder sich unglaublich freuen auf die Zeit ohne Berufstätigkeit, während andere es eher beängstigend finden, in Zukunft ganze Tage selbst verplanen zu müssen. Menschen dieser Kategorie planen dann auch gerne mal zu viel – und haben letztendlich mehr Stress als in der Zeit, in der sie noch gearbeitet haben.

Das Thema „Lernen“ spielt beim Pläne machen auch eine grosse Rolle. Zum Beispiel wird das Erlernen einer neuen Sprache in Angriff genommen – und oft ist diese Rentner-Teilmenge mit der mit den griffbereiten Campern identisch. Aber es gibt noch andere Favoriten für das Lernen im Alter.

Auf der Website www.fernstudium-direkt.de werden die folgenden Kurse als „besonders beliebt bei Seniorinnen und Senioren genannt:

Sprachen: Englisch, Französisch, Spanisch, Latein oder Altgriechisch
Gesundheit/Wellness: z. B. Aromatherapie, Heilpraktik, Heilpflanzenkunde
Kreativität: Gartengestaltung, Schmuckdesign, Hauswirtschaft, 
Autobiografisches Schreiben, Fotografie
Tiere und Natur: Tiertrainer:in, Grundwissen Naturkunde
Psychologie: Praktische Psychologie, Psychologie Basiswissen
Allgemeinwissen: Grundwissen zu Deutscher Geschichte, Ernährungslehre, Geografie, Ökologie, Religion, Theologie, Philosophie, neue Medien
und das Abitur.

Das mit dem Abitur hat mich gewundert, aber andererseits: Ohne Erfolgsdruck bzw. Versagensangst sind die Abitur-Themenbereiche vielleicht interessanter als mit?

Und bei mir selbst? Ich habe ja bis zum Stichtag auch noch ein paar Jahre Zeit. Ich freue mich darauf, wieder mehr Zeit für Bücher zu haben (denn ich habe einen Berufsalltag, der die Augen sehr ermüdet) – und über ein „Ehrenamt“ denke ich auch bereits nach. Und ich weiss schon genau, was ich in dem Sektor nicht möchte: Vor einigen Monaten sah ich in einem Krankenhaus einen Apparat, auf dem Stand: „Bitte hier die Terminkarte scannen.“ Das stand da auch noch in Englisch und als Zeichnung für Menschen mit Leseschwäche. Neben dem Automaten stand eine freiwillige Helferin des Krankenhauses, und als ich am Apparat angekommen war, sagte sie zu mir „Bitte scannen Sie Ihre Terminkarte hier.“ Das wäre kein geeignetes Ehrenamt für mich!

Bildquellen

Autor: bbr

Hallo, ich bin Beate Brinkman, der bbr.harlekin. Ich bin Redakteurin und Autorin für den Harlekin.Blog e.V. und im “Hauptberuf” in einem international agierenden IT-Unternehmen als Support Coordinator tätig. Bisher habe ich in deutschen, niederländischen, amerikanischen und indischen Unternehmen gearbeitet und viele Erfahrungen mit multikultureller Zusammenarbeit machen dürfen. Seit vielen Jahren lebe ich als Deutsche in den Niederlanden und habe festgestellt, dass schon allein die kulturellen Unterschiede zwischen Deutschen und Niederländern ganze Bücher füllen können. Aus beruflichen und privaten Gründen gilt dem multikulturellen (Miss-)Verständis mein besonderes Interesse. Ob es um Essen, Sprache, dienstliche Conference Calls oder die Gestaltung von Begräbnissen geht – wenn die Kulturen mehrer Länder aufeinander stoßen, wird es spannend. Und das führt zu manchmal unerfreulichen, oft sehr komischen, aber immer lehrreichen Situationen.

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