Projektmanagement: klassisch-agil-hybrid? Was denn, wann denn…

(Fortsetzung und vorläufiges Ende)

Die größte Gefahr in Zeiten des Umbruchs
ist nicht der Umbruch selbst
– es ist das Handeln mit der Logik von gestern.
(Peter Drucker)

Kürzlich traf ich meinen Freund wieder. Kaum hatten wir es uns gemütlich gemacht im Hofgarten einer Straußwirtschaft bei einem fruchtigen Riesling, platzte ich voller Neugier mit der Frage heraus, wie er damals seinen Auftraggeber davon überzeugen konnte, sich auf eine agile Vorgehensweise in dem Projekt einzulassen. Nach dem ersten Schluck begann er zu erzählen.

Als Erstes hatte er sich vertraut gemacht mit der NTCP-Matrix von Shenvar & Dvir, mit der ich ihn beim letzten Treffen bekannt gemacht hatte. Er war danach überzeugt, dass er damit ein passendes Instrument hatte, um mit dem Geschäftsführer über die dem Projekt angemessene Vorgehensweise zu verhandeln. „In dem Gespräch selbst“, fuhr er fort, „machte er mir zuvor klar, worum es ihm in erster Linie geht. Er meinte, er habe in der Vergangenheit auf Grund der unbefriedigenden Erfolgsquote seiner Projekte viel investiert in die Entwicklung von Projektstandards, Arbeitshilfen und unterstützender Software. Doch die erwartete Verbesserung ist nicht eingetreten. Es fehlt ihm schlicht an Vertrauen in Projektmanager und ihre Methoden. Zudem stellte er sich auf den Standpunkt, Projektmanagement sei operativ-taktisches Geschäft, wofür seine Führungskräfte verantwortlich seien, und das Ganze habe nichts mit strategischer Unternehmensführung zu tun. Hier knüpfte ich an und sagte, dass er in diesem konkreten Projekt als Geschäftsführer selbst die Rolle des Auftraggebers übernommen habe, weil ihm offensichtlich der Erfolg des Projektes aus strategischen Gründen besonders wichtig ist. Ich betonte unser gemeinsames Interesse, dieses Projekt erfolgreich abzuschließen.“

„Gut.“, bemerkte ich, „mein Eindruck ist, dass die PM-Standards in den Unternehmen weniger dem Projekterfolg dienen als dem Kontroll- und Sicherheitsverlangen des Managements. Aber wie seid Ihr jetzt mit der NTCP-Matrix zurechtgekommen?“ Nach einer beruhigenden Geste erzählte er weiter, dass er dann dem Geschäftsführer vermittelte, Projektmanagement sei lediglich Mittel zum Zweck, also ein Problemlösungsverfahren. Aber auch ein komplementäres Führungs- und Steuerungssystem zur Linie. Dass die Wahl des Verfahrens sich am Problem orientieren muss, und dass es hier leider keine „one-fits-all“-Lösung gibt. „Jetzt komme ich auf deine Frage zurück“, sagte er. „Ich habe ihm Sinn und Zweck dieser Matrix vorgestellt und angeboten, dass wir entsprechend den Dimensionen dieses Modells zunächst jeder für sich eine Einschätzung machen und diese dann anschließend diskutieren. Damit war er einverstanden. Ich hatte dazu zwei Exemplare mitgenommen, in denen jeder für sich seine Einschätzung markiert hat. Aus dem Vergleich unserer Einschätzungen ergab sich eine spannende Diskussion. Ohne in die Einzelheiten zu gehen, ging es im Kern um Folgendes: Ihm ist bewusst geworden, dass seine PM-Methodik mit dazugehörendem Toolkit nur für Projekte geeignet ist, die eine klar definierte Zielsetzung bzw. Produktdefinition und ein relativ stabiles Umfeld haben und damit gut planbar sind.“

„Er reagierte sehr aufgeschlossen auf meine Erläuterungen zu den Werten und Prinzipien agiler Vorgehensweisen. Agile Softwareentwicklung hatte er bislang als eine neue Methode – um nicht zu sagen Sau – verstanden, die durch die Unternehmen getrieben wird. Ich glaube er hat nun begriffen, dass es dabei um Wertorientierung, inkrementelle zyklische Entwicklungsschritte und vor allem um Lernen und Anpassen geht, also es dabei auf den Mindset ankommt. Es ergab sich dann fast von selbst, dass er meine Einschätzung teilte und eine agile Vorgehensweise für passend hielt. Wir waren uns schließlich auch einig, dass prinzipiell die Praxis die Wahl der Modelle bestimmt und nicht umgekehrt. Was letztlich dem Projekt und seinen Rahmenbedingungen am besten nützt, passt selten in die Logik eines Modells, sondern erfordert ein kluges Auswählen passender Prozesse und Spielregeln nach dem Motto „best of…““. „Damit sind wir bei der Feststellung, dass in der Praxis hybride Vorgehensweisen die Regel sind und rein klassische und rein agile Vorgehensweisen eher die Ausnahme“, kommentierte ich seine letzte Bemerkung. „Das sehe ich auch so“, meinte er und ergänzte noch, dass der Geschäftsführer ausdrücklich Wert darauf legt, dass dieses Projekt auch zum Wissensaufbau agiler Denk- und Handlungsweisen genutzt werden soll.

In einer kurzen Pause hingen wir unseren eigenen Gedanken nach. Schließlich fragte ich: „Sag‘ mal, was war jetzt in diesem Gespräch ausschlaggebend dafür, dass es so konstruktiv verlaufen ist?“ „Hm“, begann er nachdenklich, „ich glaube, es ist so gut gelaufen, weil wir auf strategische Werte und auf den Nutzen für die Unternehmensentwicklung fokussierten und weniger auf die taktische Bedeutung von Projektmanagement. Dadurch ergab sich letztlich eine Atmosphäre von Glaubwürdigkeit und Vertrauenswürdigkeit. Ja, offen, ehrlich und selbstkritisch sein gehört auch dazu.“ „Dein Projekt könnte man folglich als learning journey bezeichnen. Alles Gute dafür.“, bemerkte ich. „Danke, danke“, erwiderte er, „Aber sind nicht alle Projekte learning journeys?“. Wir prosteten uns lächelnd zu. Es war inzwischen das dritte Glas.

 

 

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