Outsourcing oder Aushöhlen?

Seit den 80er Jahren – dank General Motors, Maggie Thatcher und Ronald Reagan – gilt das Auslagern von internen oder öffentlichen Dienstleistungen an externe Unternehmen als fortschrittlich und vor allem kostensparend. Alles, was nicht zum Kerngeschäft gehört, wird als Ballast gesehen, den man besser an “Spezialisten” weitergibt, die angeblich professioneller und wirtschaftlicher agieren. Klingt logisch und verlockend, insbesondere wenn kurzfristige Einsparungen angepeilt werden.

Inzwischen befindet sich die Industrie in einer prekären Lage: Wiederholt wird von Pannen, Minderqualität und fast erpresserischer Abhängigkeit berichtet. Hoppla-hopp wird der Rückwärtsgang eingelegt, um den Schaden zu minimieren. Oft wird mangelnde Governance, Einsatz von Sub-Sub-Unternehmern, unklare oder unfaire Vertragsgestaltung als Ursache genannt. Für mich geht das aber an etwas Grundsätzlichem vorbei: der Loyalität.

Wie fühlt sich ein Mitarbeiter, wenn er mit dem Risiko des Outsourcing konfrontiert wird? Egal wie gut und wertvoll seine Leistungen waren, wie stark seine Identifizierung mit dem Unternehmen war,  da hört er, dass sein Arbeitgeber locker auf ihn verzichten kann. Monate-, manchmal jahrelang hört er wiederholt, dass sein Job gefährdet sei.  Als Trost wird ihm ein neuer „gleichwertiger“ Arbeitsplatz beim Dienstleister angeboten, wo er seiner betrieblichen „Heimat“ entrissen wird, völlig neue Prozesse lernen muss und von einer ihm fremden Kultur umgeben ist.

Gleichzeitig übernimmt der Dienstleister die Verantwortung und plötzlich entdeckt der Auftraggeber, dass die Neuen lange nicht alle Prozesse verstehen (geschweige beherrschen), Spezialisten auch Mangelware sind oder dass jede Mehrleistung, die vorher intern selbstverständlich war, mehr Geld kostet.

Ich lasse absichtlich das Thema Kommunikation bei Offshoring außer Betrachtung, komme aber gerne ein anderes Mal wieder darauf zurück!
Für mich ist das Problem schlichtweg fehlende Identifizierung mit dem Auftraggeber. Neulich besuchte ich eine Firma, die Security ausgelagert hat. Auch der Empfang gehörte dazu, weil deren Mitarbeiter gemeinsame Prozesse durchführen. Ganz logisch. Jetzt wird der Besucher von einer Person am Empfang begrüßt, die schlechtere Arbeitsbedingungen genießt und außerdem keine Verbindung zum Unternehmen hat, wo sie rotationsbedingt gelegentlich auftaucht. Der Besucher bekommt unpersönliche Auskunft, einen Besucherbadge überhändigt und das war’s. Warum auch mehr? Der Empfang macht seinen Job, Punkt – aus. Wie soll bloß Kundenbindung entstehen, wenn ein Besucher die Standardleistung und –begrüßung bekommt?

Jahr für Jahr haben Unternehmen immer mehr Bereiche ausgelagert, um Kosten zu reduzieren. Bereiche, die früher ihre Loyalität still gezeigt haben, indem sie dafür gesorgt haben, dass der Laden bei Schieflagen trotzdem irgendwie lief. Der Operator im Rechenzentrum, der Hausmeister, der Fahrer…

Inzwischen schreit jeder, dass es einen Mangel an Fachkräften gibt. In vielen Abteilungen fehlen Sachbearbeiter, welche die Algorithmen der automatisierten Prozesse nicht mehr erklären können, weil sie wegrationalisiert wurden.

Unternehmen haben endlich kapiert, dass sie gute Mitarbeiter halten sollten. Aber welcher Mitarbeiter bleibt, wenn sein Arbeitgeber IHM nicht treu bleibt?

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Autor: bco

Hallo, ich bin Bernie Cornwell, der bco.harlekin. Wie schon meine Signatur-Kappe unten suggeriert, bin ich Wirtschaftsflüchtling aus England und seit der Brexitabstimmung Wahlexilant. Über Umwege via Sprachunterricht und Sozialarbeit bin ich bei der IT gelandet. Ich war in die Technik total verknallt und nach meinem ersten Realisierungsprojekt bei einer Berufsgenossenschaft habe ich mich als Business Analyst und Projektleiter sukzessiv immer weiter von der Technik entfernt… Inzwischen verdiene ich mein Brot als Berater, Trainer und Coach im Projektgeschäft in jeder beliebigen Branche. Mein Hintergrund und meine Reiselust führen mich überwiegend zu Einsätzen in der ganzen Welt oder/auch bei multikulturellen Unternehmen im deutschen Sprachraum. Mit den Jahren hat sich meine berufliche Einstellung wesentlich geändert. Früher Missionar in der Sache des methodischen Vorgehens, sehe ich mich nun eher als Lebenshelfer im Projektumfeld. Das Arbeiten in einem Projektteam kann lehrreich, stimulierend und begeisternd sein; es soll weder Mission Impossible noch Himmelskommando sein. Projekte können der beste Ansatz sein, Innovation, Wirtschaftlichkeit und reizvolles Arbeiten zu fördern. Warum lieben Projektleiter den „surrealistischen“ Dilbert? Weil er tägliche Projektsituationen darstellt, die wir wiedererkennen. Und weil sie leider recht realistisch sind.

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