Lob der Pause (Teil 1)

Manchmal bin ich schon am Morgen müd…

Als ich kurz vor Weihnachten eine Kundin (Führungskraft in einem deutschen Konzern) zum Coaching traf, erzählte sie mit müdem Gesichtsausdruck: „Gestern habe ich von 8:00 Uhr bis 18:00 Uhr durchgehend virtuelle Meetings oder Telefonate gehabt und keine einzige Pause! Und das nicht zum ersten Mal.“ Und wenn internationale Zeitverschiebungen dazu kommen, können die ersten Sitzungen auch noch früher anfangen und die letzten sehr spät enden. Ich habe sie gefragt, warum sie das mit sich machen lasse. Darauf schaute sie mich erstaunt an, weil sie gar nicht darüber nachgedacht hatte, ob daran irgendetwas falsch sei.

Unser Meeting-Alltag hat sich verändert. Wenn Meetings früher in unterschiedlichen Räumen stattfanden, hatten wir wenigstens etwas Zeit, um uns zu bewegen, indem wir von einem Ort zum nächsten gingen. Wir hatten kleine aktive Pausen durch Gruppenarbeiten oder als Kaffeepause getarnt.

Seit vielen Jahren moderiere ich unterschiedliche Meetings / Workshops und bilde Moderatoren, Agile Coaches und Führungskräfte aus. Und seit langer Zeit ist bekannt, was ein gelungenes Meeting ausmacht. Keine Furcht, ich beschreibe hier jetzt keinen Moderatoren-Kurs. Aber mir ist wichtig, auf einen wesentlichen Aspekt hinzuweisen, der vor allem in virtuellen Meetings für Effektivität und Gesundheit sorgen kann.

Dauern Ihre Konferenzen am Telefon oder Video auch von 0 bis 0, also beginnen um 9:00 und enden z. B. um 10:00, wenn eigentlich die nächste Konferenz schon losgeht? Das bedeutet, Sie haben nicht nur keine Pause, Sie kommen auch konsequent zu spät.

Ein befreundeter Geschäftsführer hat für seinen gesamten Verantwortungsbereich unter anderem folgende Regel vereinbart: zwischen 2 Meetings sollen ungefähr 10 Minuten Pause sein. Regenerationsphase nennt er das, und sie dient dazu, das vergangene Thema abzuschließen oder zu ordnen und sich auf das neue Thema einzustellen und mit nahezu 100%iger Aufmerksamkeit beim Thema zu sein.

Aus Sport und Neurologie wissen wir, dass sich die Leistung durch Pausen verbessert. Für alle Meetings, auch für mehrtägige Konferenzen und Symposien, gilt: Nehmen Sie sich alle 45 Minuten eine 5-Minuten-Pause oder alle 90 Minuten eine halbe Stunde! Dehnen und strecken Sie sich oder machen Sie eine Yoga- oder Kreislauf fördernde Übung. Vielleicht führen Sie die Übungen auch mit allen Teilnehmern gemeinsam durch. Das ist nicht nur wirkungsvoll, sondern kann auch Team bildend sein und manchmal zum Lachen anregen.

Wie verbringen Sie Ihre virtuellen Pausen? Was hilft Ihnen, fit zu bleiben beim Meeting-Marathon? Schreiben Sie es mir, wir Harlekine lernen gerne dazu.

„In unserer deutschen Kultur ist das (Pause machen, die Autorin) nicht so verankert. Wer Pausen nehmen möchte, gilt oft als nicht leistungsfähig.“1 sagt Rainer Wieland, Professor für Arbeits- und Organisationspsychologie an der Bergischen Universität Wuppertal. „Dabei zeigen Studien seit vielen Jahren, dass mehrere kurze Pausen über den Tag verteilt die Leistungsfähigkeit steigern und gesundheitliche Vorteile bringen.“2 (Ein Plus für die Raucher und ein Lob auf den Hefekuchen!)

Doch das scheint für unser Wirtschaftsleben nicht zu gelten. Im beruflichen Alltag schmückt man sich sogar mit einer Aussage, wie ich sie oben beschrieben habe und ist stolz darauf, was man alles leisten kann: Müdigkeit als Ausdruck von Leistung.

Das ist auf Dauer nicht gesund. Lassen Sie es nicht zu, dass andere rücksichtslos mit Ihrer Zeit umgehen. Übernehmen Sie Ihr Selbstführungs-Verantwortung und bauen Sie Pausen ein, wo es Ihnen nötig und sinnvoll erscheint. Statt sich als Opfer von Umständen zu fühlen, gestalten Sie Ihre eigene Zeit und machen Sie Pause von dem, was Ihnen nicht gut tut.

Es sind unsere Erlebnisse, die uns formen. Aber es sind unsere Entscheidungen, die uns definieren. (Det. Mac Llewellyn Taylor, CSI NY)

Und in einem zweiten Teil zu diesem Thema geht es nächste Woche um die kreative Pause! Freuen Sie sich drauf… 

1 Die Welt vom 18.04.2014, Pausen mit Bewegung sind besonders effektiv
2 ebenda

Bildquellen

Autor: hfi

Hallo, ich bin Heike Fillhardt, der hfi.harlekin aus dem Rheingau. Ich leite und begleite seit Anfang der 90er Jahre Veränderungsprozesse in internationalen Unternehmen im Rahmen von Reorganisationen, Fusionen und Leitbildumsetzungen. Dabei vertraue ich auf die Kraft der Gruppe und arbeite nach dem Grundsatz: es gibt immer eine Lösung, egal wie lange es dauert. Viele Führungskräfte empfinden sich als „lonesome hero“ – ein Bild, das sich – wem auch immer sei Dank – endlich auch in Deutschland zu verändern scheint. Und ich freue mich über jedes Projekt im Rahmen von Agilität. Neben Erfahrungen aus dem klassischen Projekt- und Changemanagement bringe ich auch breites systemisches Methodenwissen ein. Ich bin Scrum-Master und Leadership Agility Coach. Erkenntnisse aus meinen verschiedenen physio- und psychologischen Ausbildungen fließen ebenso in mein Wirken ein wie meine Erfahrung als Dozentin und Mutter. Ich wirkte 14 Jahre als Managementberaterin, Coach und Trainerin in verschiedenen Unternehmen. Seit 2007 bin ich selbständige Beraterin mit eigener Coachingpraxis. Seit 2012 bin ich Kung-Fu-Schülerin. Und im Laufe der Jahre flossen immer mehr Körperübungen in meine Workshops und Trainings ein. Denn nur wer sich bewegt, ist auch langfristig erfolgreich. Meine Kunden schätzen vor allem das Umsetzen der theoretischen Themen in Spiel und Körperübungen, meine systemische Sicht auf das ganze Feld, das schnelle Einstellen auf situative Bedürfnisse, meine klare und wertschätzende Sprache und die konsequente Zielverfolgung.

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