Kann Botox das Auto retten?

Automobildesign war schon immer ein emotionales Thema. Es gibt Moden, wie es auch bei Kleidung der Fall ist. Der Hollywood-Glamour beeinflusste die Linienführung in den 30er Jahren, …

Heckflossen kamen Ende der 40er Jahre auf,…

in den 60er Jahren dominierte die Funktionalität – man denke nur an die kastenförmigen Serienlimousinen,…

und in jüngster Zeit herrscht die Aerodynamik, um die Kraftstoffeffizienz zu erhöhen, so heißt es.

Es tut mir leid, dass ich wie ein mürrischer alter Mann klinge, aber es ist mir aufgefallen, dass das Auto, das einst das Objekt unserer Fantasie war, nicht nur von jungen Leuten mit Umweltbewusstsein, sondern auch von den Automobilherstellern selbst im Stich gelassen wird. Anstatt schnittige, verführerische Projektionen von Individualität oder häuslichem Komfort zu produzieren, stellt die Industrie immer mehr Klötze her, die wie angeschwollene Kreuzfahrtschiffe mit hoher Plimsoll-Linie oder eine Kreuzung aus Batmobile und Humvee auf Steroiden aussehen.

Die Frontpartien der Autos bekommen immer größere Lufteinlässe in den Schürzenecken, so dass sie einen anfauchen und einem im Rückspiegel im Nacken sitzen,…

… während andere Teile der Karosserie mit CAD-Systemen von den Designern wie von Schönheitschirurgen ausgehöhlt wurden. Kann jemand erklären, warum die Türen von Renaults so aussehen, als wären sie beim Einparken nach innen gequetscht worden?

Die Taille spiegelt die Insassen wider, und es wird kaum versucht, den Bierbauch des zusätzlichen Streifens aus Kunststoff oder Metall zu verschönern. Die Mode, die eine Keilform verlangt, bedeutet, dass sich die Glasfläche zum Heck hin verjüngt, wo die hinteren Fenster oft so klein sind, dass man zum Manövrieren eingebaute Kameras braucht. Coupés müssen ein schräges Dach haben, was zur Folge hat, dass jeder, der größer als ein Zwerg ist und hinten sitzt, hinterher die Aufmerksamkeit eines Chiropraktikers benötigt.

Einige Cabriolets wie der Land Rover Evoque und der VW T-Roc sehen eher aus wie Badewannen auf Rädern. Ich erwarte fast, dass die Seifenlauge über die Seiten schwappt. Mercedes verfolgt eine eher fließende Linie, die mit dem Gefälle des Shooting Brake endet, das an mangelnde Testosteronausschüttung erinnert.

Die Embleme werden immer dominanter, da die Form des Fahrzeugs allen anderen ähnelt. Und dann ist da noch der Kühlergrill, der durch das Fehlen eines Kühlers bei Elektroautos überflüssig geworden ist. Audi mag den Trend eingeleitet haben, aber jetzt sind sogar die Nieren von BMW so groß, dass man meinen könnte, eine Notoperation sei die einzige Hoffnung. Es scheint, dass solche Monstrositäten in den USA und in China Anklang finden – vielleicht nicht unbedingt Ikonen des guten Geschmacks.

In Europa planen die Hersteller, ihre meistverkauften Elektroautos, den VW Up und den BMW i3, zu verschrotten, um sich auf Fahrzeuge zu konzentrieren, die den Gewinn steigern. Was wollen die Europäer mit einem unübersichtlichen Tarnkappenbomber, der nicht in Parklücken passt und fast zwei Tonnen wiegt, viel Sprit verbraucht und Umwelt und Infrastruktur schadet? Letzte Woche habe ich in London einen Bentley Betayga gesehen. Ein Bentley SUV? Das soll wohl ein Witz sein! Kein Wunder, dass man sich nach autonomen Autos sehnt. Wer wird in solchen gepanzerten Lieferwagen nicht überfordert?

Ja, es gibt ein paar Ausnahmen, aber ich sehne mich nach der Rückkehr des Flairs eines BMW 2002, eines Alfa Romeo Giulia, eines Peugeot 204 oder sogar eines Citroen C3.

Es wird viel über den Niedergang der europäischen Autoindustrie geschrieben. Mit dem aktuellen Design sieht es für mich wie ein klimafreundlicher Todeswunsch aus!

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Autor: bco

Hallo, ich bin Bernie Cornwell, der bco.harlekin. Wie schon meine Signatur-Kappe unten suggeriert, bin ich Wirtschaftsflüchtling aus England und seit der Brexitabstimmung Wahlexilant. Über Umwege via Sprachunterricht und Sozialarbeit bin ich bei der IT gelandet. Ich war in die Technik total verknallt und nach meinem ersten Realisierungsprojekt bei einer Berufsgenossenschaft habe ich mich als Business Analyst und Projektleiter sukzessiv immer weiter von der Technik entfernt… Inzwischen verdiene ich mein Brot als Berater, Trainer und Coach im Projektgeschäft in jeder beliebigen Branche. Mein Hintergrund und meine Reiselust führen mich überwiegend zu Einsätzen in der ganzen Welt oder/auch bei multikulturellen Unternehmen im deutschen Sprachraum. Mit den Jahren hat sich meine berufliche Einstellung wesentlich geändert. Früher Missionar in der Sache des methodischen Vorgehens, sehe ich mich nun eher als Lebenshelfer im Projektumfeld. Das Arbeiten in einem Projektteam kann lehrreich, stimulierend und begeisternd sein; es soll weder Mission Impossible noch Himmelskommando sein. Projekte können der beste Ansatz sein, Innovation, Wirtschaftlichkeit und reizvolles Arbeiten zu fördern. Warum lieben Projektleiter den „surrealistischen“ Dilbert? Weil er tägliche Projektsituationen darstellt, die wir wiedererkennen. Und weil sie leider recht realistisch sind.

2 Gedanken zu „Kann Botox das Auto retten?“

  1. Ja, das kann ich gut nachvollziehen. Möglicherweise sind die aktuellen Designer direkt von den Transformers-Filmen engagiert worden. Dennoch gabe es auch schon früher extrem hässliche Autos. Ich habe testweise „Auto hässlich“ gegoogelt und da kam genau, was ich erwartet habe und Menschen wie Herrn Ferrari und Herrn Pininfarina in Todessehnsucht versetzen: FIAT Multipla. Schlimmer geht’s nimmer. Aber Fahrzeuge, wie der erwähnte Badenwannen Range Rover gehören sicherlich auch dazu.

  2. Ich gebe Dir Recht, aber Designer haben früher mehr Individualität gewagt. Citroen hat nach den schönen DS-Modelle der 60er Jahre auch den schrecklichen Ami produziert. Trotzdem: auf Pininfarina und Bertone war fast immer Verlass!

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