
Anmerkung der Harlekin-Redaktion:
Um Sie langsam auf das Jahresende einzustimmen, behandeln unsere neuen Beiträge bis zum Ende des Jahres 2019 alle das Thema „Jahresabschluss“ – mal aus beruflicher, mal aus privater Sicht. Heute beginnen wir mit einem kulinarischen Beitrag – viel Spass!
Wir waren in diesem Jahr gerade frisch Eltern geworden. Die Kleine ist ja eigentlich süß, erhöhte aber ab und an den Stresslevel der sorgenden Eltern, vor allem auf Reisen. Denn die Tochter erbrach alles, was sie gegessen hatte, konsequent zwischen Kilometer 65 und 75 auf einer 200 km-Strecke zu Eltern oder Schwiegereltern. Und nun stand Weihnachten vor der Tür. Um dem Baby (natürlich nur ihm!) unnötigen Reisestress zu ersparen, luden wir kurzerhand Eltern und Schwiegereltern nach Hause ein. Weihnachten ist schließlich das Fest der Familie…
Der Rumtopf war schon im Juni angesetzt und sollte die Blüte seiner Entwicklung erreicht haben, die Hotelzimmer waren organisiert und das Wetter spielte auch mit, so dass die Herrschaften gemütlich anreisen konnten. Die Bescherung war ein Oh und Ah, weniger ein Oh je! Und so langsam machte sich der weihnachtliche Hunger breit. Das Baby schlief und der Schmaus konnte beginnen.
Das Siebeck’sche Weihnachtsmenü war für uns in vielen Jahren ein guter Anfang zur kulinarischen Planung des Festes. Und diesmal entschieden wir uns, alle Gänge zu kochen. Und jeder Gang wurde zelebriert und genossen. Der Wein und das Bier (ja, auch das!) schmeckten und die Stimmung hob sich auf höchste, da der Nachtisch bevorstand. Siebeck entschied sich damals für eine Zitronencreme (1) .
Die Zitronencreme kam, der erste Löffel umspielte den Gaumen – und beendete diesen Gang schneller als erwartet. Meine Mutter bekräftigte tapfer: „Ich liebe sauer!“, nahm aber nur mikroskopisch kleinste Teilchen auf ihren Löffel. Meine Schwiegermutter echote: „Ich auch!“ Mein Vater schürzte die Lippen und meinte: “Nee, datt kann isch nit essen.“ Und mein Schwiegervater rief: „Wo steht der Rumtopf?“
In Siebecks Zitronencreme-Rezept sollten 8 Zitronen mit 75 gr. Zucker angereichert werden. Doch so wenig Zucker waren meinem Vater und Schwiegervater eindeutig zu wenig! Und allen anderen eigentlich auch.
Was war passiert? Im Zeit-Magazin steckte ein Druckfehler! Und ich habe dem Meister vertraut!
Fehler führen oft zu Scham, daher möchten sie verschleiert, heruntergespielt oder sogar vertuscht werden. Auch bei mir setzte sofort Scham ein, verbunden mit Ärger über mich. Aber nur kurz. Denn Dank Rumtopf, Plätzchen und allgemeinem Gelächter über unsere Gesichter verbrachten wir einen seligen Abend – und erzählen eine Familiengeschichte noch heute.
Und diese Geschichte hat sogar eine Erkenntnis: Manche Fehler wären zwar vermeidbar, können aber zur allgemeinen Heiterkeit beitragen, wenn der Fehlerverursacher über eine gewisse Resilienz verfügt.
Jahre später habe ich die Zitronencreme noch mal gekocht, mit 275 Gramm Zucker, so wie Siebeck es in seiner uns Fehler-Köche verhöhnenden Korrekturschrift (2) beschrieb. So kann man sie essen. Aber warum sollte man, wenn doch sauer lustig macht?
Und was ist Ihre beste Weihnachtsmenü-Geschichte?
Bildquellen
- dessert-3909638_1920 (1): RitaE / Pixabay
Wir lernen überwiegend aus Fehlern, und Fehler sind es auch, die erst den Erinnerungswert einer Situation oder den Wert eines Objektes schaffen !? z.B.
… wer in seiner Börse ein 50-Cent-Stück der Prägestätte Karlsruhe (G) findet, prüfe die Wappenseite! Einige dieser Stücke wurden fehlerhaft mit dem Bundesadler der 1€-Rückseiten statt mit dem Brandenburger Tor geprägt. Eines dieser Stücke wurde am 27. Mai 2010 in Berlin für 750 Euro versteigert.