Habe ich mich bei diesem Fehler geirrt?

Ich betreibe gerade lebenslanges Lernen. Und beim Lernen lernen stieß ich auf die Begriffe Fehler und Irrtum. Im Alltag sehr vertraute Vokabeln. Doch als Lernender stellte ich mir die typisch  systemische Frage: Worin genau liegt denn hier der Unterschied? Die Begriffe bezeichnen zwar etwas Unterschiedliches, aber es gibt auch Gemeinsamkeiten. Gehen wir im Alltag auch immer bewusst mit den unterschiedlichen Bedeutungen dieser Begriffe um? Nach meiner Beobachtung eher nicht und da schließe ich mich ein. Da also unterschiedliche Begriffe auch Unterschiedliches bezeichnen, machte ich mich auf die Suche nach dem Unterschied. Was könnte ich bestenfalls aus diesem Unterschied lernen, fragte ich mich neugierig. Na, mal sehen…

Beide Begriffe haben eines gemeinsam. Das als Fehler oder Irrtum bezeichnete Ergebnis stellt sich erst nach einem Tun heraus. Bei sich selbst oder bei der Beobachtung eines anderen. Was muss ich denn tun, damit am Ende ein Fehler entsteht? Und was muss ich tun, dass es ein Irrtum ist? Also muss ich doch Unterschiedliches tun, damit ich am Ende das Ergebnis entweder so oder so bezeichnen kann.

Definitionen sind wie immer ein wichtiger Ausgangspunkt. Danach bezeichnet man als Fehler eine Abweichung von einem optimalen, definierten Zustand, Verfahren oder dem „Richtigen“. Für Irrtum heißt es schlicht, dass dem Tun eine unabsichtlich falsche Annahme zugrunde gelegen hat. Doch so eindeutig sind die Definitionen ja nicht. Deshalb stelle ich sie hier in den Kontext des Arbeitsalltags.

Wenn ich also einen Fehler machen will, dann muss mein Tun Regeln, Normen, Vorschriften oder vielleicht auch unausgesprochene Gewohnheiten verletzen oder missachten. Angenommen ich erteile eine Freigabe für die Einführung einer Software ohne zuvor die vorgeschriebenen Formalitäten des Testmanagements durchgeführt zu haben, dann habe ich einen Fehler gemacht. Das ist mir vielleicht sogar während meines Handelns bewusst, weil mich der Betrieb unter Druck gesetzt hat. Dennoch es ist ein Fehler. Für das Ergebnis dieses Tuns muss ich die Verantwortung und die Konsequenzen übernehmen. Anders gesagt: Beim Tun habe ich dann nicht das Wissen verwendet, was ich hätte wissen können.

Wie sieht das nun beim Irrtum aus? Hier herrscht eine andere Ausgangssituation. Es bestehen weder Dienstvorschriften, Standard Operating Procedures, Regularien irgendwelcher Art. Lediglich eine Problembeschreibung, allgemeine Richtlinien wie Vision oder Strategien, an denen ich mein Tun orientieren kann. Angenommen hier geht es um die Optimierung eines Produktionsprozesses. Ich denke mir Maßnahmen aus, von denen ich erwarte, dass sich die Durchlaufzeit damit verkürzen lässt. Aber die Maßnahmen stellen sich als wirkungslos heraus. Hier habe ich etwas mit bestem Wissen und Gewissen und mit der Überzeugung getan, richtig zu liegen und ein vertretbares Risiko eingegangen zu haben. Hier übernehme ich Verantwortung für mein Tun und nicht für das Ergebnis, welches sich als Irrtum herausgestellt hat. Irren und Tun geht ja gar nicht gleichzeitig. Erst hinterher erkenne ich, dass ich mich geirrt habe. Das ist beim Lügen anders. Da passiert das Lügen im Moment des Lügens.

Das ist also der Unterschied, der einen Unterschied macht, wie Bateson sagte. Wichtig für mich ist dabei die Unterscheidung im Hinblick auf das, was ich zu verantworten habe.

Komplizierter wird es, wenn ich andere bei ihrem Tun beobachte oder selbst von anderen beobachtet werde, weil wir ja unsere Wirklichkeiten individuell konstruieren. Was immer ich bei anderen beobachte, werde ich nach eigenen Kenntnissen, Erfahrungen und Maßstäben als Fehler oder als Irrtum nach der beschriebenen Unterscheidung bewerten. Wenn dagegen mein Tun von anderen als Fehler oder Irrtum bezeichnet wird, werde ich im Sinne dieser Unterscheidung feststellen können und klären wollen, was in diesem konkreten Fall zutrifft. Bestätigung oder Irrtum. Das muss der andere nicht auch so sehen. Aber für die Klärung von Differenzen haben wir ja die Kommunikation.

Was ist nun mein Fazit? Aus Fehlern wird man klug, heißt es. Doch so einfach funktioniert das ja nicht. Da fehlt als Zwischenschritt analysieren und lernen. Das ist intellektuell aufwändig. Vielleicht liegt da ein Grund für den Mangel an klugen Menschen. Was ich lernen kann, ist besser aufzupassen und Regeln zu beachten. In solchen Kontexten muss ich mich eben konditionieren lassen. Aus einem Fehler kann aber auch eine neue Idee entstehen, wenn die Regel in einem konkreten  Fall sich als unsinnig erweist und eine bessere Lösung geschaffen werden kann. Also achte auf das Verfalldatum von Regeln.

Und was kann ich aus Irrtümern lernen? Wiederhole nicht das Gleiche und erwarte andere Ergebnisse. Ich erinnere mich, dass Albert Einstein so Dummheit definiert. Das zu Lernende steckt hier auch wieder in einer Differenz, nämlich zwischen dem was ich als Ergebnis meines Tuns erwartet habe und dem, was am Ende wirklich eingetreten ist. Ich kann hier lernen, mit mehr Aufmerksamkeit die Ausgangssituation zu beurteilen und aus meinen Fehlversuchen Schlüsse zu ziehen für passendere und wirkungsvollere Handlungen.

Diesen Unterschied zu kennen und mit ihm bewusst umzugehen, gehört zur Grundausstattung in Veränderungsprozessen. Ob ich nun Fehler mache oder Irrtümer begehe – am Ende gibt es immer was zu lernen. Ein Leben lang.

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