Ganz schön beknackt… (Teil 2)

Die Muskatnuss entwickelte sich dann im 16. Jahrhundert zum Goldrausch Ostindiens, insgesamt der erste bedeutende Fall von Drogenbeschaffungskriminalität. Portugiesen, Briten, Spanier und Niederländer bekriegten sich wegen der Muskatnuss und brachten sich nicht nur gegenseitig, sondern nebenbei noch einige 10.000 Einheimische um. Wer Drogenkartelle bisher ausschließlich aus Mittel- und Südamerika kannte, darf sich nun als Besserwisser 1. Grades betrachten. Denn er weiß nun: Pablo Escobar, Kokain-Handel und das Medellin-Kartell sind nur billige Kopien eines schon 500 Jahre alten „Geschäftsmodells“.

Bevor wir mit dem Mythos Muskatnuss weitermachen, ein kurzer Abstecher in den betriebswirtschaftlichen Part des modernen Drogenhandels. Auch wenn man von Drogenkartellen grundsätzlich nichts Gutes sagen kann – viele Mitglieder sind nicht aus Prinzip miese Typen, sie wollen eigentlich nur Geld verdienen, sie wollen in ihren meist armen Ländern nur überleben. Das geht u.a. mit Kokain auch ziemlich gut, denn durch geschickten Einsatz von Erpressung, Mord und Korruption erhöht sich im Fall von Kokain der Wert um das 100-fache (ca. 1 Prozent des Verkaufserlöses erhalten die Produzenten in den Andenländern) (nur das 5-fache bezahlt ein Kaffeetrinker in Deutschland für die Bohnen seines Kaffee-Dealers).

Wie auch immer, ab 1512 begannen die Portugiesen damit, die Muskatnuss als Handelsware von den Banda-Inseln nach Europa einzuführen. Die kleine Insel Run und einige Nachbarinseln waren zu dieser Zeit der einzige Ort der Welt, wo Muskatnüsse und Gewürznelken wuchsen.

Knapp 100 Jahre später eroberten Niederländer, genauer die Niederländische Ostindien-Companie (VOC) die Gewürzinseln. Für die Einheimischen waren die Holländer zu Beginn willkommene Bündnispartner gegen die Portugiesen. Als die VOC aber die Portugiesen vertrieben und einen Stützpunkt errichtet hatte, verlangte sie von den Bandanesen Exklusivrechte. Doch die verkauften weiterhin auch an Händler aus Java, Makassar und auch an englische Händler.

Nachdem sich das erwünschte Handelsmonopol nicht im Guten mit Verträgen durchsetzen ließ, setzte Jan Pieterszoon Coen auf eine schon bekannte Lösung: Korruption, Erpressung und Massenmord. Von den ursprünglich 15.000 Einwohnern überlebten die Massaker der Ostindischen Companie geschätzte Tausend. Vom Rest der Welt weitestgehend unbemerkt sicherten sich die Niederländer auf diese Weise das Muskatnuss-Monopol für die nächsten 150 Jahre. Heute wird dieser Genozid als eines der dunkelsten Kapitel in der niederländischen Kolonialgeschichte betrachtet.

Auch wenn heute eine Muskatnuss nur wenige Cents kostet, der Handel mit Muskatnuss war unglaublich erfolgreich. Im Vergleich erwirtschaften Drogenkartelle heute mit Heroin eine Wertsteigerung um das 150-fache, Kokain kommt auf eine ca. 100-fache Wertsteigerung. Noch Mitte des 16. Jahrhunderts verkauften die einheimischen Händler auf den Banda-Inseln zehn Pfund Muskatnuss für weniger als einen englischen Penny. In England dann wurde die Muskatnuss für den Wochenlohn eines Arbeiters verkauft, eine Preiserhöhung um das 600-fache. What a deal?

Schon bis hierhin eine fast unglaubliche Geschichte über die olle Muskatnuss, ein permanenter Wettbewerb zwischen Wissen und Glauben. Aber ohne den Einfluss von Drogen kann man sich den letzten Teil der Geschichte über die Muskatnuss kaum vorstellen. 1667 wollten die Niederländer ihre hübsche Gewürzinsel wiederhaben und tauschten dafür die Insel Manhattan an der amerikanischen Ostküste gegen die englische Insel Run mit ihren Muskatbäumen ein. 350 Jahre später findet man die Insel Run, wie auch die anderen Banda-Inseln, kaum noch auf einer See-Karte. Die Insel ist auch nur etwa 3000 Meter lang und 750 Meter breit, aber sie galt als Ort sagenhafter Reichtümer, denn sie war ja mit Muskatnussbäumen bewachsen.

Manhattan hingegen war bis dahin die karge Heimat von einigen 100 Holländern rund um das Örtchen Nieuw Amsterdam. Der noch amtierende niederländische Gouverneur Stuyvesant war eigentlich gewillt, die Kolonie zu verteidigen, fand aber keinen Rückhalt in der Bevölkerung und unterzeichnete widerwillig den Übergabevertrag. Daraufhin wurde der Befehlshaber der englischen Flotte nun zum Gouverneur ernannt und die Stadt erhielt zu Ehren des Herzogs von York den neuen Namen New York. Manhattan hat heute 1,6 Mill Einwohner, die Wall Street – aber auch einen Stuyvesant Square.

Der heutige Wert der Insel ist schwer zu ermitteln, aber vor einigen Jahren hat ein amerikanischer Journalist den Betrag einmal geschätzt. Er errechnete eine Wertsteigerung von 17 Milliarden Prozent. Das klingt astronomisch, entspricht aber, über die Jahrhunderte gerechnet, einer jährlichen Rendite von bescheidenen 5,3 Prozent. Also wohl doch kein Drogendeal.

Und was hatte das jetzt alles mit Corona, Weihnachten, Nüssen und Mythen zu tun? Ist doch egal, man freue sich auf Weihnachten, gönne sich einen sanften Painkiller mit reichlich Muskatnuss und vielleicht fällt es einem dann wieder ein. Hier ist das Rezept für einen einzigartigen, absolut überzeugenden Muskatnuss-Longdrink. Fröhliche Weihnachten und Prosit.

1 Teil süsse Kokosmilch

1 Teil Orangensaft

4 Teile Ananassaft

1-5 Teile dunkler Rum (je nach Kondition)

gecrashtes Eis, notfalls Eiswürfel

1 x Muskatnuss mit Reibe

Zubereitung: Alle Zutaten mit gecrashten Eis in einen Shaker geben und gut durchschütteln. Das ganze in ein Cocktailglas mit Eiswürfel geben und mit reichlich frisch geriebenem Muskat bestreuen.

Die Geburtsstätte des Muskatnuss-Drinks ist die Insel Jost van Dyke (auf den British Virgin Islands).

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