Filmtext zum Mitlesen?

Untertitelung versus Synchronisation

Im deutschen Fernsehen ist es seit jeher Standard, ausländische Filme deutsch synchronisiert zu zeigen (mit Ausnahme von „Dinner for one“ an Silvester natürlich). Bei DVDs und Streaming-Diensten können wir auch „original mit Untertiteln“ wählen – doch bei Filmen und Serien im Fernsehen bekommen wir die internationalen Schauspieler:innen immer noch mit deutschen Stimmen „serviert“.

Da mir die Synchronisation von Kindheit an vertraut war und dank der Tatsache, dass viele Schauspieler:innen über Jahre oder sogar Jahrzehnte dieselben Synchronstimmen behielten, hatte ich damit nie ein Problem. Im Gegenteil: Bei meinem Umzug in die Niederlande, wo aufgrund der relativ kleinen Sprachgemeinschaft überhaupt nicht synchronisiert wird, hatte ich mit der Untertitelung internationaler Filme zunächst einmal Schwierigkeiten. Dauernd dieses „Gelese“, wenn ich mich lieber auf das verräterische Zusammenzucken des Hauptverdächtigen konzentriert hätte!

Interessant wurde es bei der Ausstrahlung deutscher Filme mit niederländischen Untertiteln. Durch den Tatort-Kommissar Schimanski habe ich gelernt, dass in Deutschland eher „fäkal“ geflucht wird und in den Niederlanden eher sexuell. Das fällt zwar unbestritten in die Kategorie „nutzloses Wissen“, der Vergleich macht aber das Lesen der Untertitel sehr viel interessanter!

Aus mir wird aber keine wirklich hartgesottene Konsumentin von Untertiteln werden. Angehörige dieser Kategorie schauen selbst schwedische, dänische oder spanische Filme mit Untertiteln, auch wenn sie von der gesprochenen Sprache kein Wort verstehen. Das britische Fernsehen hat auch jahrelang synchronisiert, aber skandinavische Detektivserien wie „The Killing“ (Kommissarin Lund) und „The Bridge“ im Original hatten eine riesige Kult-Anhängerschaft.

Bei englischsprachigen Filmen habe ich inzwischen „Untertitel-Routine“ bekommen, und vielleicht ist ja an dem Pro-Untertitel-Argument der Niederländer auch etwas dran. Sie argumentieren, dass man durch das Schauen der Originalfilme in englischer Sprache eher, schneller, besser und mit weniger Akzent Englisch lernt.

Diese Einschätzung teilt auch Vanja Höllersberger in ihrer Diplomarbeit „Zur Problematik der Filmuntertitelung: eine Analyse anhand der serbischen Übersetzung von „Good bye, Lenin!““[1] Sie stellt die Vor- und Nachteile von Untertitelung und Synchronisation wie folgt gegenüber:

Vorteile der Untertitelung

  • Der Originalsound des Films bleibt erhalten.
  • Das Verfahren ist relativ preisgünstig.
  • Das Lesen der Untertitel beim gleichzeitigen Hören des Originaltons fördert das Lernen der Fremdsprache.

Nachteile der Untertitelung

  • Die Untertitel verdecken den unteren Teil des Bildschirms und beeinträchtigen das Gesamtbild.
  • Die Ablenkung der Zuschauer von der Filmhandlung
  • Die Verfälschung durch schlechte Abstimmung der Untertitel auf die Filmdialoge („Kürzung tötet Komplexität“)

Vorteile der Synchronisation

  • Das Bild wird nicht beeinträchtigt.
  • Das Anschauen eines Films ist für die Zuschauer bequemer und auch für AnalphabetInnen, Personen mit niedriger Lesegeschwindigkeit und Vorschulkinder möglich.
  • Sie bietet ein zusätzliches Arbeitsfeld für Schauspieler:innen.

Nachteile der Synchronisation

  • Die Authentizität wird beeinträchtigt, weil die echten Stimmen der  Akteure nicht hörbar sind.
  • Im ungünstigen Fall wirkt die Synchronisation gekünstelt und entspricht nicht der “normalen Art, zu reden”.
  • Die Methode ist, speziell bei kleinen Sprachgemeinschaften, teuer.

Der Film „Good bye, Lenin“, der sich – durchsetzt mit sozialistischen Phrasen – mit dem Leben in der DDR auseinandersetzt, ist sicher ein interessantes Studienobjekt für diese Fragestellung.

Es gibt ein paar Filme, bei denen mich die (subjektiv empfundenen) Defizite der Synchronisation neugierig auf’s Original gemacht haben. Ein Beispiel ist der vorweihnachtliche Traditionsfilm „Der kleine Lord“ in der Verfilmung von 1980, denn ich fand den 8jährigen Cedric in der deutschen Fassung stets ziemlich altklug und ein bisschen langweilig. Im Original wurde der Unterschied zwischen dem fröhlich-lässigen amerikanischen Englisch des Jungen und dem „very british“ Englisch der Erwachsenen um ihn herum – angeführt durch Alec Guinness –  überhaupt erst deutlich und gab dem Film viel mehr „Pfeffer“.

 Manchmal kann die synchronisierte Version das Original sogar verbessern. Aus der englischen Serie „The Persuaders“ mit Roger Moore und Tony Curtis wurde das viel witzigere „Die 2“.

Da offensichtlich beide Verfahren ihre Vor-und Nachteile haben, ist es gut, dass wir bei anderen Quellen als dem Fernsehen entsprechend der eigenen Vorliebe wählen können. Und am Ende bleibt den echten Purist:innen ja noch der „OmU-Abend“ im Kino…


Bildquellen

  • Subtitle 6: BBR
  • Subtitle 4: BBR
  • Subtitle 5: BBR

Autor: bbr

Hallo, ich bin Beate Brinkman, der bbr.harlekin. Ich bin Redakteurin und Autorin für den Harlekin.Blog e.V. und im “Hauptberuf” in einem international agierenden IT-Unternehmen als Support Coordinator tätig. Bisher habe ich in deutschen, niederländischen, amerikanischen und indischen Unternehmen gearbeitet und viele Erfahrungen mit multikultureller Zusammenarbeit machen dürfen. Seit vielen Jahren lebe ich als Deutsche in den Niederlanden und habe festgestellt, dass schon allein die kulturellen Unterschiede zwischen Deutschen und Niederländern ganze Bücher füllen können. Aus beruflichen und privaten Gründen gilt dem multikulturellen (Miss-)Verständis mein besonderes Interesse. Ob es um Essen, Sprache, dienstliche Conference Calls oder die Gestaltung von Begräbnissen geht – wenn die Kulturen mehrer Länder aufeinander stoßen, wird es spannend. Und das führt zu manchmal unerfreulichen, oft sehr komischen, aber immer lehrreichen Situationen.

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