Ein Lichtblick

Vor einiger Zeit hatten wir diverse Artikel zur Digitalisierung und den teils grotesken Auswüchsen veröffentlicht – z.B. Digital Na(t)ives oder auch Digitaler Punk. An diesem Punkt fand ich mich wieder, als ich auf den Weg in den bzw. zurück aus dem Sommerurlaub war. Dieses Mal kann ich allerdings von positiven Beispielen berichten – aber die würdigt man nur, wenn man auch die Desaster erlebt hat.

Leider muss ich sagen, dass das Pareto-Prinzip (80/20) voll widerlegt werden kann durch meinen vollkommen repräsentativen Selbstversuch. Ich schaffe es im Hinblick auf öffentliche Verkehrsmittel leider nur auf 50% (Pünktlichkeit, bzw. Arbeitsverweigerung – je nachdem, ob man das Glas als halb voll oder halb leer ansieht). Auf dem Hinweg in den Urlaub schaffen wir es mit 3 Kindern, 2 Erwachsenen, 3 großen Koffern (ja, 20 Kilo), 3 kleinen Koffern und 5x 9-Euro-Ticket rechtzeitig und ohne Zwischenfälle von zuhause nach Frankfurt zum Flughafen. Bus, Bahn, Umsteigen, alles top – Verspätungen im Bereich <5min. Ich hätte es ahnen können, wenn die 50% Regel gilt – und das tut sie immer, dann wird die Rückfahrt am 01.09. ein Desaster.

Also nehmen wir uns mal die Rückfahrt vor: Einstieg in die Metro Bilbao, alle 5 Minuten fährt was ab und die sind wirklich immer pünktlich – Kostenpunkt: 5 Euro für alle 5 Personen bis in die Innenstadt. Was braucht man dafür? Eine frei erhältliche Guthaben-Karte, die man per App und NFC auf dem Smartphone ohne Account und Freigabe sämtlicher personenbezogener Daten aufladen kann (oder an wirklich funktionierenden Automaten). Wow – nur um das mal festzuhalten: man hält diese Karte (ähnlich einer Kreditkarte) direkt ans Handy und kann dann Geld drauf laden. Unfassbar, dass jemand auf so eine Idee kommt. Aber weiter mit der Reise – in der Innenstadt angekommen, warten auf den Bus zum Flughafen. Kommt alle 15 min, und auch der ist pünktlich. Wieder gleiche Karte benutzen, wieder ein Fahrtpreis von ca. 1 Euro pro Person. Die Lufthansa erspar ich uns mal, die waren natürlich nicht pünktlich, aber ich will nicht meckern – einen Tag später war wieder mal Streikhansa angesagt und wir wären gestrandet.

Ankunft Frankfurt, und wir stolpern von Desaster zu Desaster: Rolltreppe kaputt oder nicht vorhanden => Koffer tragen, die erste. Wir müssen ein Ticket ziehen – am Nahverkehrsbahnhof gibt es aber nur Tickets für den RMV, yeah! Wir müssen allerdings über das Verbundgebiet hinaus und für diese Tickets brauchen wir die Automaten der Deutschen Bahn, die wir aber nicht finden können. Gut, dann per App. Zahlen die Kinder eigentlich voll? Warum kostet S-Bahn fahren mehr als ICE? Darf ich dann trotzdem beides nutzen? Hilfe!!! In Frankfurt angekommen fehlt im IC der Fahrplan, deswegen fahren wir nicht los (als wenn der Zugführer wirklich „lenken“ könnte), daraufhin diverses Zug-Hopping, weil der andere vielleicht losfährt (Koffer tragen, die zweite, dritte und vierte). Zitat eines Mitreisenden: „Ich versuche seit 3 Stunden aus Frankfurt wegzukommen. Ich sehe schon schwarz beim Thema „letzter Bus…“

Na gut, irgendwann rollen wir ein wenig vor und schaffen es tatsächlich in Ladenburg anzukommen, Baustelle – Bus hält nicht an geplanter Haltestelle. In der App nur lauter Text mit Straßennamen, die keiner kennt. Warum machen die keine Karte mit der Ersatzroute? Wir verpassen den Bus von Ladenburg nach Hause, wissen nicht ob überhaupt noch einer fährt und wenn ja, wann. Zitat: „Aufgrund einer Baustelle hält der Bus vorübergehend hier“ – aber wann er hält, steht da nicht, die haben allen Ernstes den Fahrplan vergessen. Koffer nur noch rollen, tragen geht nicht mehr. Nach über 10 Stunden Reisezeit rufen wir entnervt die Nachbarn an und fragen, ob Sie uns die letzten 4 km mit dem Auto abholen. Läuft – die Gesamtstrecke mit dem Auto hätte uns 5 übrigens nur die Hälfte gekostet und 14 Stunden gedauert statt 10 Stunden mit Flug/Bus/Bahn. Toller Schnitt für die Verkehrswende würde ich sagen.

Aber ich will nicht nur jammern, denn eigentlich fahre ich super gerne Bahn. Meine Frau hat gestern übrigens den VRN-Luftlinientarif ausprobiert. Das hat Potential. Man tippt im Handy auf Start, wenn man losfährt und auf Stopp, wenn man aussteigt. Dann wird im Luftlinientarif berechnet, was es kosten würde – ist eine Fahrt im Wabentarif günstiger (wofür braucht man den nochmal?), wird immer nur das günstigere berechnet. Wow, so muss es sein. Die App hat noch ein paar Schwächen, aber da müssten wir eigentlich hin. In diesem Sinne: nicht aufgeben und immer schön tapfer bleiben!

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2 Gedanken zu „Ein Lichtblick“

  1. In den Niederlanden gibt es die „OV-chipkaart“. Auf diese Karte kann man Guthaben laden und dann heisst es: Beim Einsteigen „einchecken“, beim Aussteigen „auschecken“. Die Karte ist im ganzen Land gültig für Züge, Busse, Metros und Strassenbahnen. Als dieses System vor einigen Jahren eingeführt wurde, gab es viele Proteste aus der Bevölkerung. Viele Menschen konnten sich nicht vorstellen, immer an das Ein- und Auschecken zu denken. Heute ist das überhaupt kein Problem mehr, das System ist allgemein beliebt.

  2. In der Schweiz gibt es schon länger diese Funktion: EasyRide – bei Start Einchecken und beim Ziel Auschecken. Macht man dies mehrmals am Tag, wird das günstigste Angebot gewählt. Geht mit der SBB oder ZVV Abo problemlos.

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