
Der Trainer hat im Seminar eine Transfer-Übung organisiert, damit die teilnehmende Führungskraft das über Tage Gehörte und Gesagte in seine Arbeitswelt übertragen kann. Leider klappt dieser Transfer nicht immer zur Zufriedenheit aller. Die Führungskraft nimmt sich vor, besondere Punkte am eigenen Verhalten zu verändern, effizienter sich selbst zu organisieren oder neue Methoden einzuführen. Aber das funktioniert nicht so, wie idealerweise im Seminar ausgedacht.Dann war oft das Umfeld „Schuld“, das sie daran hinderte, das Neue anzuwenden. Doch das ist zu kurz gedacht.
Grundsätzlich glaube ich, dass eine Fortbildung keine Persönlichkeit ändern kann. Die wenigsten Seminare und Trainings sind wirklich geeignet, um tiefgreifende Verhaltensänderungen zu bewirken. Ein Input neuer Inhalte, ergänzt durch Diskussionen, Übungen und Rollenspiele, gepaart mit Reflexionen können nur eine oberflächliche Wirkung bei Menschen erzielen. Vielleicht wird ein Teilnehmer zum Nachdenken angeregt durch geeignete Impulse. Aber zum veränderten Handeln? Dazu braucht es mehr.
Um wirkliche Veränderungen im Führungsalltag zu bewirken, braucht es einen „kontinuierlichen Verbesserungsprozess“ der Führungskraft. Hier sind die wesentlichen Schritte dazu:
- Es braucht einen eindeutigen Willen, das beobachtete Verhalten auch ändern zu wollen. Laut Duden geht das Wort „wollen“ auf die Wurzel „uel“ „wollen, wählen“ zurück, der auch das Adverb „wohl“ entstammt. Wollen und wohl gehören also zusammen. Doch „Ins Wollen kommen“ ist oft die größte Hürde. Denn was wir wollen und was uns „wohl“ täte, scheint nicht immer dasselbe.
- Veränderung bedeutet, eine „Probezeit“ mit sich zu vereinbaren. Auf diesem Weg sind Fehler unvermeidlich. Lernen impliziert Rückschläge und „Ehrenrunden“. Durch Selbst-Feedbacks und Selbst-Erkenntnis komme ich meinen „Fehlern“ auf die Schliche. Am besten funktioniert der „Vertrag mit mir selbst“, in dem ich mein Verhalten auf den Wirkungsgrad hin beobachte. Was erreiche ich mit diesem Verhalten bei mir selber, bei anderen, für den verantworteten Bereich? Was richte ich aus, was richte ich an? Es braucht Mut, sich selbst schonungslos den Spiegel vorzuhalten.
- Daher braucht die Führungskraft einen Sparringspartner, mit dem sie regelmäßig über ihre Erfolge (und Misserfolge) spricht und von dem sie Feedback (von außen) entgegennimmt. Dies kann z. B. ein Kollege auf der gleichen Ebene sein, dem die Führungskraft Vertrauen schenkt, oder ein guter Freund. (Das Thema „kollegiales Vertrauen“ wird an anderer Stelle ausführlich beschrieben.) Feedback von außen hilft, das eigene Selbstbild mit der Fremdsicht abzugleichen. Wo Selbst- und Fremdbild auseinander klaffen, ist spezifische Arbeit nötig, z. B. mit persönlichem Coaching.
- Ein guter Trainer und Coach unterstützt die Selbst-Erforschung, z. B. dadurch, dass er die notwendige Distanz zu Themen und Problemen behält. Durch professionelle Gespräche und Selbsterkenntnis unterstützende Aufgaben und Methoden werden die in der Tiefe verborgenen Haltungen, Glaubenssätze und Meinungen angeschaut und bearbeitet. Dabei steht einerseits das sachliche Ziel im Vordergrund, das der Klient mit dem Coaching erreichen möchte. Aber auch das Menschliche kommt nicht zu kurz. Die Führungskraft lernt, sich mit freundlichem Blick zu betrachten, zu bewerten und, wo möglich, zu verändern.
- Es braucht Zeit und Geduld, denn wirksame Verhaltensänderung geht einher mit mit gleichzeitiger Haltungsänderungen. Sich regelmäßig wenige Minuten am Tag Zeit zu nehmen für sich, z. B. durch Meditation, Yoga oder andere Körperübungen, Auseinandersetzung mit Kampfkunst, achtsame Atmung und andere Bewusstsein erzeugende Übungen unterstützen diesen persönlichen Wandel.
Damit ein Diamant entsteht, braucht es Zeit und Druck, aber nicht Zeitdruck.
Jede(r) darf so bleiben, wie er/sie ist und wird das auch tun. Aber wenn bisheriges Führungsverhalten nicht die gewünschte Wirkung erzielt, bringen nur Veränderungswille, Feedback und Beständigkeit die ersehnte Veränderung.
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Wie kommentierte Karl Valentin diese innere Hürde so richtig?
„Mögen hätte ich schon wollen, nur dürfen habe ich mich nicht getraut!“