Der Wert der Arbeit

Vor einigen Tagen bekam ich eine Mail von LinkedIn mit einer Einladung zur Teilnahme an einer Umfrage. Im Titel der Mail stand: Beate, was findest Du wertvoll an Deiner Arbeit? – “Gute Frage!” -dachte ich mir. Darüber hatte ich lange nicht mehr nachgedacht. Dabei ist das sicher eine der zentralen Fragen, wenn es darum geht, bei welchen Tätigkeiten und in welchen Funktionen sich jemand “am richtigen Platz” fühlt – und bei welchen nicht.

Beim “Wert der Arbeit” denken wir meist zunächst an den finanziellen Aspekt. Dieser wurde bereits in Büchern von Karl Marx, Friedrich Nietzsche und vielen anderen behandelt. Und auch die Süddeutsche Zeitung äusserte sich unter dem Titel “Sie bekommen mehr als sie verdienen” zum Thema Top-Management-Gehälter. [1] Aber lassen wir das Geld mal beiseite – was ist gefühlsmässig wertvoll an unserer Arbeit?

Bei dem Thema fällt mir als erstes ein, was meine Arbeit nicht sein soll: Ich will nicht etwas produzieren oder verkaufen, was zumindest meiner persönlichen Ansicht nach die Welt nicht braucht. (Darum wäre ich zum Beispiel beim Luxus-Modelabel  fehl am Platz  – aber so, wie ich gekleidet bin, würden die mich auch nicht einstellen!)  Und ich will nicht den ganzen Tag mit Diskussionen über Visionen, langfristige Ziele und vage Möglichkeiten verbringen (Dazu bin ich zu praktisch veranlagt und habe zu wenig Phantasie.)

Aber jetzt mal anders herum: Was ist denn der Wert meiner Arbeit? Ist sie spannend? Ja, manchmal, aber nicht immer. Ist sie sexy – in dem Sinne, dass ich sogleich von einer Gruppe fasziniert lauschender Zuhörer:innen umringt bin, wenn ich erzähle, was ich beruflich mache? Nein! Ist sie kommunikativ? Meistens. Ist sie nützlich? Ja! Und das ist für mich, was den Wert meiner Arbeit ausmacht. Ich bin selbst überzeugt, dass ich etwas Nützliches tue, weil “mein” Unternehmen etwas Nützliches tut und ich dazu einen Beitrag leiste. Und darum muss für mich auch nicht jeder Arbeitstag ein perfekter Tag sein, und darf meine Arbeit auch mal langweilig, unspektakulär, hektisch oder anstrengend sein.

Glücklicherweise haben eine ganze Menge Menschen nützliche Berufe bzw. Tätigkeiten  (wiederum nach meiner subjektiven Einschätzung) aber dennoch empfinden viele ihre Arbeit anscheinend als eine Art Freiheitsberaubung.

Vor einiger Zeit habe ich an einem Wiedersehenstreffen meiner Gymnasium-Jahrgangsstufe teilgenommen. Es war ein schöner Tag mit interessanten Gesprächen. Die meisten ehemaligen Klassenkameraden (und ich auch) waren in dem Jahr 60 geworden – und es gab eine Sache, die mich ein bisschen schockiert hat: der grosse Anteil der “Und wie lange muss Du noch?”-Gespräche. Ich habe dabei eine Menge gelernt – ich weiss jetzt, wann man bei der Polizei, der Stadtverwaltung, als Krankenpfleger, Lehrer oder als Dozent an der Uni frühestens (mit oder ohne Abzüge(n)) in Rente gehen kann (ohne dass die körperliche oder mentale Verfassung  einen dazu zwingt.) Das war zunächst gar nicht uninteressant, artete aber im Verlauf des Abends dahingehend aus, dass einige ehemalige Mitschüler:innen miteinander am Kneipentisch sassen und auf ihren Handies Renteneintrittstabellen und Zusatzpensionen verglichen. An dem Punkt habe ich mich dann einen anderen Tisch gesetzt.

Vorfreude auf die   Rente ist ja schön und gut – aber man sollte es auch nicht übertreiben! Ich will mich hier nicht dynamischer präsentieren, als ich bin: Ich selbst habe natürlich auch Momente, in denen ich mir über die Zeit “danach” Gedanken mache. (Und mein Mann auch! Der ist bereits Rentner und fürchtet jetzt schon, dass ich mich dann unnötigerweise in die Haushaltsführung einmische.) Aber zumindest denke ich nicht jeden Morgen beim Aufstehen daran und zähle noch nicht die Tage bis zu meinem Renteneintritt. Mir persönlich hilft er dabei, mich (meistens)  immer noch gern an meinen Schreibtisch zu setzen: der Wert meiner Arbeit.


[1] Manager-Gehälter: Sie bekommen mehr, als sie verdienen – Kommentar – Wirtschaft – SZ.de (sueddeutsche.de)

Bildquellen

Autor: bbr

Hallo, ich bin Beate Brinkman, der bbr.harlekin. Ich bin Redakteurin und Autorin für den Harlekin.Blog e.V. und im “Hauptberuf” in einem international agierenden IT-Unternehmen als Support Coordinator tätig. Bisher habe ich in deutschen, niederländischen, amerikanischen und indischen Unternehmen gearbeitet und viele Erfahrungen mit multikultureller Zusammenarbeit machen dürfen. Seit vielen Jahren lebe ich als Deutsche in den Niederlanden und habe festgestellt, dass schon allein die kulturellen Unterschiede zwischen Deutschen und Niederländern ganze Bücher füllen können. Aus beruflichen und privaten Gründen gilt dem multikulturellen (Miss-)Verständis mein besonderes Interesse. Ob es um Essen, Sprache, dienstliche Conference Calls oder die Gestaltung von Begräbnissen geht – wenn die Kulturen mehrer Länder aufeinander stoßen, wird es spannend. Und das führt zu manchmal unerfreulichen, oft sehr komischen, aber immer lehrreichen Situationen.

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