Dame, König, As – Spion

Einige unserer Beiträge haben inzwischen Seriencharakter, da nach dem ersten Beitrag das gleiche Phänomen plötzlich überall auftaucht. Das kennt fast jeder vom Auto- oder Kleidungskauf. Gerade hat man sich für ein „selten schönes Stück“ entschieden, schon begegnet man diesem an jeder 2. Straßenecke – zumindest kommt es einem so vor. In Wirklichkeit ist man nur sensibler für diese spezifische Wahrnehmung geworden. So geschah es auch mir kürzlich, nach dem Kauf eines älteren Hauses, mit dem ich völlig unerwartet auf die Insignien eines ausgestorbenen Berufes gestoßen bin – bzw. gestoßen wurde.

Das Leben als Harlekin unterscheidet sich nicht besonders vom Leben unserer Leser und aller anderen – mit doch einer Ausnahme. Die seltsamen Zufälle des (Berufs-)Lebens, die skurrilen Erlebnisse aus der Projektarbeit, beim Frisör oder wartend beim Bäcker kennen viele, aber wir schreiben unsere auf.

Das kleine Häuschen steht an der Elbe, nicht weit weg von Hamburg. Die alte Dame, die ehemalige Eigentümerin, lebte schon seit einigen Jahren in einem Pflegeheim und war hochbetagt mit 92 Jahren verstorben. Während des Verkaufsprozesses wurde bekannt, dass alle Beteiligten ihre Wurzeln in Ostwestfalen haben und die alte Dame sogar in der angeblich nichtexistierenden, (un-)heimlichen Metropole der internationalen Modewelt – in Bielefeld – aufgewachsen war. Wer das mit der „internationalen Modewelt“ nicht glaubt, lese hier – Zitat Bielefeld Marketing GmbH*: Ein renommierter Studiengang für Modedesign und große Namen der Bekleidungsbranche wie Seidensticker, Windsor, Gerry Weber oder Brax, die in Bielefeld oder im direkten Umland ihren Sitz haben, machen Bielefeld zu einem heimlichen Zentrum der Mode.

Die Erben hatten kein Interesse, das Haus komplett zu räumen, daher wurde es mit den alten Möbeln und dem üblichen Sammelsurium auf dem Boden und im Keller übernommen. Beim nun notwendigen Räumen, Sortieren und „Ausmisten“ stieß ich zuerst auf eine alte Holzkiste mit seltsamen Kleidungsstücken. Danach folgten weitere „Dinger vom Dach“ die niemand zuordnen konnte, bis ich auf alte, vergilbte Skizzen und Dokumente stieß, die Neugier flammte auf – der Spion in mir erwachte. Anscheinend hatte die alte Dame eine Ausbildung zur „Putzmacherin“ gemacht und betrieb in Bielefeld für mehrere Jahre ein eigenes Atelier.

Den Berufsbegriff „Putzmacherin“ hatte ich noch nie gehört und forschte nach. Wikipedia erklärte mir freundlich den mir unbekannten Begriff mit einem weiteren mir unbekannten Begriff „Modistin“ – pädagogisch eher unsinnig, aber interessant: Die Putzmacherin (heute: Modistin), auch „Putzerin“ genannt, ist ein staatlich anerkanntes Berufsbild nach dem Berufsbildungsgesetz. Bis in das 20. Jahrhundert fertigte die Putzmacherin ausschließlich Kopfbedeckungen für weibliche Kundinnen an.

Intuitiv einfacher zu verstehen war ein weiteres Synonym, denn man nannte diesen Beruf früher auch Hutmacher, obwohl das historische Berufsfeld der Putzmacherin mehr als nur Hüte umfasste. Denn …

weitere Nachforschungen im GenWiki* brachten einen weiteren, mir unbekannten Begriff hervor – die Galanteriewaren: „Zum individuellen Putz der Damenwelt gehörte die Dekoration und Herrichtung der Hauben und Hüte aus der Palette der Galanteriewaren durch die Putzmacherin. Unter Galanteriewaren verstand man zum Ende des 18. Jahrhunderts unterschiedliche Modeartikel, Zierrat, Putz- und Kleidungsstücke, so auch Hauben, (Stroh-) Hüte, Bänder, Kopfzeuge, Federn, Blumen und andere Applikationen.“

Damit konnte ich nun auch den Inhalt der schon erwähnten Holzkiste zuordnen. Das waren nämlich anscheinend solche Galanteriewaren.

Zumindest ist mir nun klar, was die alte Dame beruflich gemacht hatte. Auch wenn es keine Details zum Arbeitsplatz gibt, mit den Bildern zu Werkzeugen, Kisteninhalt und Zutaten kann der interessierte Leser sich durchaus ein eigenes Bild von diesem Berufsstand machen. Meine alte Dame war wohl so eine Art Kollegin von Karl dem Großen, also Karl Otto Lagerfeld – dem deutschen Modezaren bei Chanel. Der wiederum ist ursprünglich in Hamburg geboren, an der Elbe. Ein Kreis schließt sich.

* https://wiki.genealogy.net/Putzmacher

* https://www.lifepr.de/inaktiv/bielefeld-marketing-gmbh/Die-heimliche-Hauptstadt-der-Mode/boxid/321694

Bildquellen

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