Großartig, ich darf wählen!

Den zweiteiligen Beitrag “Die Qual der Wahl” (erschienen am 21. und  28. Februar 2020) haben wir im Harlekin-Team diskutiert. Uns beschäftigte die Frage, ob dies ein Problem ist, das alle Bevölkerungsgruppen betrifft, oder eher eins der Generation 50+. Deshalb interessierte uns die Sicht der jungen Generation  auf dieses Thema. Wir freuen uns sehr über den Gastbeitrag von Ricarda Fillhardt, die die “Qual der Wahl” aus einer anderen Perspektive betrachtet. Ricarda ist Studentin und lebt zur Zeit in Edinburgh.

Ich bezweifle, daß ein Übermaß an Auswahl uns glücklich macht. Erst letzte Woche habe ich so viel Zeit damit verbracht, zu entscheiden, was ich mir auf Netflix ansehen will, daß es zu spät war, als ich mich (halbwegs zufrieden) auf einen Film festgelegt hatte und stattdessen ins Bett ging. Und vor kurzem wollte ich mir an meinem Geburtstag einen Wellness-Tag gönnen und habe Stunden auf Tripadvisor verbracht, um in der riesigen Anzahl von Saunen und Wellness-Zentren, die meine Heimatstadt zu bieten hatte, die beste Option zu finden. Das kommt mir jedoch selten als Problem vor. Ich bin mit viel Auswahl aufgewachsen.

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Die Qual der Wahl (Teil 2)

Nachdem ich erst Monate damit verbracht hatte, meine CDs zu digitalisieren, entschied ich mich dann doch für Streaming, für Tidal. Verlustfreie Klangqualität und eine schier unendliche Auswahl an Rock, Jazz, Blues und klassischer Musik. Dort gibt es sogar Aufnahmen, die ich noch von Radio Luxembourg auf Band kopiert habe, wobei das Signal auf meinem Kassettenrekorder noch ziemlich schwankte!

Bei Tidal war alles perfekt. Zuerst war es das Paradies, ich hörte praktisch alles was ich wollte – wann immer ich wollte.

Es gab auch kein Risiko mehr, einen Datenträger für ein ordentliche Stange Geld zu kaufen und dann anschließend zu entdecken, dass die Musik nicht der persönliche Erwartungshaltung entspricht. Aber nach einer Weile erinnerte mich das Ganze wieder an „Ben & Jerry’s“.

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Die Qual der Wahl (Teil 1)

Wenn ich als Kind überhaupt mal eine Wahl hatte, dann höchstens zwischen „Take it or leave it“. Eine einfache Kindheit, man musste nicht lange überlegen, der Sachverhalt war schnell klar!

In dieser Zeit bekamen wir BBC Radio und die Probleme mit der Wahl wurden größer. Auf dem gleichen Gerät konnte man aktuelle Ereignisse und Nachrichten hören, aber auch “Women’s Hour” – die Sendung für die Hausfrau, die Original-Soap „The Archers“ und die damals typischen Komödien. Auf dem 3. Programm liefen Kultursendungen (schwere Unterhaltung!), und zum Ausgleich gab es das “Leichte Programm” mit Musik und Unterhaltung für die ältere Generation, was vor allem die Väter und Großväter meiner Generation schätzten. Trotz deutlich erweiterter Wahlmöglichkeiten war die Entscheidung immer noch einfach – die Älteren hatten immer Recht.

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Nostalgie und Nachhaltigkeit – Der Öko-Knigge

Beim Sortieren des Nachlasses meiner Mutter fiel mir der „Öko-Knigge“ in die Hände. Das Buch von Rainer Grießhammer ist 1984 erschienen, und ich habe es ihr irgendwann in den 80ern zum Geburtstag geschenkt. – Was beweist, dass mit dem mahnenden Zeigefinger nicht nur von der Mutter Richtung Tochter, sondern auch umgekehrt gewiesen wurde.

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Profit Center – die „Puppe in der Puppe“? (Teil 2)

(Hier geht es zu Teil 1: https://harlekin.blog/profit-center-die-puppe-in-der-puppe#more-2057.)

Ich kann nicht alle Probleme aufzählen, die bei der Einführung einer Profit-Center Organisation auftreten können, für den interessierten Leser hier aber ein Beispiel zu den versteckten Tücken dieses Systems. Das Ganze verpackt in eine simple Frage:

Ist ein Profit-Center Leiter, der aufgrund eines „erheblichen“ internen Verrechnungspreises für die Nutzung eines Besprechungsraums der „internen Immobilienverwaltung“ auf einen günstigen externen Besprechungsraum für das geplante Meeting setzt …

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Profit-Center – die „Puppe in der Puppe“? (Teil 1)

Viele Leser werden bereits in einem Profit-Center gearbeitet haben oder sind immer noch darin beschäftigt. Möglicherweise haben manche gar keine andere Organisationsform kennengelernt und könnten daher einen Unterschied für „ihre Arbeit“ überhaupt nicht feststellen. Für diesen Beitrag wollte ich ursprünglich nur ein paar persönliche Erfahrung als Anekdoten mit einem zwinkernden Auge kommentieren. Da aber nur die wenigsten das Phänomen Profit-Center (kurz PC) aus der Perspektive Management oder Finanzbereich kennen, habe ich mich entschieden, doch etwas mehr über Hintergründe und die Geschichte des PC‘s zu berichten.

Die ursprüngliche Idee zum Profit-Center war revolutionär für das streng hierarchische Management des letzten Jahrhunderts – aber edel und gut. Denn sie sagt im Kern: „Freiheit“! Man mache den geknechteten Abteilungsleiter zu einem Unternehmer im Unternehmen und der Erfolg stellt sich quasi von alleine ein – denn Profit-Center bedeutet ja ins Deutsche übersetzt „Gewinn-Center“ – von zusätzlichen Kosten und neuen Problemen erst einmal keine Spur.

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Il Doccione im Vallesanta

Eine „soziale Plastik“ im heiligen Tal

Dies ist ein weiterer Beitrag unseres „Gastautors“ Christoph Henties, der für treue Leserinnen und Leser des harlekin.blog kein Unbekannter ist. Dankeschön, Christoph!

Anfang des 18. Jh. wurde im Casentino in Italien auf einem Plateau in 850 Metern Höhe – mit Blick über das Vallesanta, das heilige Tal – Il Doccione (die große Dusche) erbaut. Mit seinem geräumigen Haupthaus, mehreren Nebengebäuden und einer kleinen Kirchenruine ist es fast schon ein kleines Dorf. Bis vor 50 Jahren war es eine Stätte der Begegnung für die Menschen des Vallesanta. Dann setzte die Landflucht ein, viele Bauern zogen in die Städte, um Arbeit zu finden, Il Doccione wurde verlassen.

Heute ist es wieder ein lebendiger Ort, es werden Konzerte und Feste veranstaltet, die auch von den Menschen aus den umliegenden Dörfern gerne besucht werden. Seit 1989 leben zwei Familien mit ihren Kindern hier. Sie haben die alte Bausubstanz liebevoll restauriert und komfortabel ausgestattet. Neben dem Traum vom Leben auf dem Lande, der biologischen Landwirtschaft mit großem Garten, Kühen, Ziegen, Pferden und Bienen, steht der Austausch mit anderen Menschen im Vordergrund (mehr unter www.doccione-arcadia.de und www.doccionedisotto.eu).

Nicht zufällig sind zwei der dort lebenden Menschen, Renate und Andreas, selbst begeisterte Musiker und so entwickelte sich Il Doccione im Laufe der letzten zehn Jahre zu einem Ort kultureller Begegnung mit dem Schwerpunkt Musik und Begegnung.

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Fitness auf niederländisch – das „Vierdaagse“

Nachdem ich bei harlekin.blog wiederholt über die Vorliebe der Niederländerinnen und Niederländer für frittierte Köstlichkeiten berichtet habe, möchte ich mich nun der Frage widmen, wie sich die Bürger meiner Wahlheimat denn trotz dieser Versuchungen fit halten.

Nach meiner Beobachtung liegt das zum einen daran, dass das Radfahren – auch bei suboptimalen Wetterbedingungen – in den Niederlanden nach wie vor sehr populär ist. Auf dem Gebiet der Kindersitze, Kinder-Anhänger etc. werden alle verkehrssicheren Möglichkeiten genutzt, und Mütter oder Väter mit drei kleinen Kindern verteilt auf dem Rad sind keine Seltenheit.

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Mein Leben als digitaler Nomade

Teil 2

Mit Beginn des neuen Millenniums wurden die Bedingungen für mobiles Arbeiten zunehmend besser. So wuchs die Zahl der DSL-Anschlüsse der Deutschen Telekom von 0.6 Millionen im Jahr 2000 auf 13.3 Millionen im Jahr 2008. Die Vorstellung von Skype im Jahr 2003 durch Niklas Zennström und Janus Friis machte es erstmals möglich, Videogespräche zu führen, ohne Haus und Hof dafür zu verpfänden. So hatte ich neben den bis dahin verbreiteten Kommunikationsmedien Telefon und Email auch (endlich) Video zur Verfügung. Meine Laptops wurden leichter und leistungsfähiger und hatten integrierte Modems.

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