Blamen, aber richtig!

Teil 5 aus der Serie: Innovation oder Verfall?
Undokumentierte, aber gelebte Prozesse des Projektmanagements: Blame Management

In Teil 4 ging es um die Kernprozesse «Schuld zuweisen und überwachen».
Im 5. und letzten Teil kümmern wir uns um sinnvolle Begleitmassnahmen, zum Beispiel Schulungen, und erfolgreiche Schuldzuweisung in Scrum-Projekten.

Begleitmassnahme «Schulung»

Schulungen können helfen, die theoretischen Grundlagen und den Prozess der Schuldzuweisung, quasi als Basislegung, zu unterstützen. Dabei ist zwingend zu beachten wer und auch wie geschult wird.

Potentielle Sündenböcke sind natürlich von diesen Schulungen zwingend fernzuhalten. Wer will denn schon die Schlachtbank gerade den Lämmern zeigen?

Derzeit wird in Fachkreisen aber auch eine spannende Alternative diskutiert, die genau umgekehrt funktioniert: Opferschulungen!
Selbstredend geht es dabei nicht um die Vermittlung von Abwehrstrategien und dergleichen, sondern um die Akzeptanz, das Lamm und nicht Ostern zu sein. Oder, um es mit Heidegger zu sagen: «Schuld ist ein wesentlicher Teil des Daseins». Akzeptiere, dass Du schuldig bist und das ist auch gut so. Desweiteren werden drollige Abwehrstrategien thematisiert, die natürlich nicht als solche erkennbar sein sollen. Dazu gehört die klassische Rücktrittsbegründung des «Schutzes der Organisationsreputation», die gerne von CEOs (Raiffeisen Schweiz, Schweizer Post, Aargauische Kantonalbank usw.) und Verbandspräsidenten (DFB seit 20 Jahren) genutzt wird.

Wenden wir uns nach diesem kleinen Exkurs wieder der zentralen Frage zu, wie Schuldzuweisung sinnvoll geschult werden kann. Inhalte zur Theorie müssen in konkrete Beispiele übersetzt werden. Dafür eignen sich Beispiele aus der Praxis ganz besonders. Beginnen Sie mit Beispielen, die den meisten Teilnehmern bekannt sein dürften oder sehr anschaulich sind. Damit animieren sie die Teilnehmer dazu, mit eigenen Beispielen beizutragen, die dann wieder in der Gruppe besprochen werden können. Hier ein paar Beispiel für solche «eisbrechenden» Fälle inklusive Quellen für Begleitmaterial:

  1. Dilbert Comics
  2. Der Fall Barschel
    (Archiv des Magazin Stern)
  3. Mutti
    (Die FDP zu den Jamaika-Verhandlungen)
  4. Migranten und Asylsuchende
    (Pressemitteilungen, Redebeiträge, Interviews etc. von AfD-Repräsentanten)
  5. Die EU und der EURO
    (siehe 4.)
  6. Die Presse
    (siehe 4.)
  7. Die Altparteien
    (siehe 4.)
  8. Vergessen/Ignorieren von Schuld
    (Faust)
  9. Aufrechnen von Schuld
    («Auch wir haben gelitten»)

Begleitmassnahme « Simulation »

Sind Schulungen ein adäquates Mittel, um komplexe Sachverhalte anschaulicher zu machen und Problembewusstsein zu wecken, so ist die Simulation das beste Mittel, um konkrete Situationen tatsächlich üben zu können. Mittels Rollenspiel wird der Erwerb von Schuldzuweisungskompetenzen unterstützt. Massgeschneiderte Komplexität und rollenspezifische Entscheidungs- und Handlungsspielräume ermöglichen den Umgang mit authentischen realistischen Situationen – als Lamm und als Ostern («Perspektivwechsel»).

Ganz besonders geeignet sind Simulationen für das Einüben von Schuldablenkungsstrategien. Dazu gehören:

  • Plausibles Abstreiten
  • Unterstützende Körpersprache (wissendes Kopfschütteln, zum Spitzdach geformte Hände, provozierendes mit den Fingern trommeln usw.)
  • Unauffälliges Weitergeben von vertraulichem, belastendem Material (z.B. Verbreiten von Gerüchten durch Dritte)
  • Empfänglichkeit für Falschinformationen erhöhen (siehe oben unter 4.)
  • Zwischen den Zeilen «hören»

Besonderheiten in Scrum

Mit teamorientierten Vorgehensmodellen und Produktentwicklungsmethoden scheint die Schuldzuweisung komplizierter. Organisatorisch wird der Standardsündenbock «Projektleitung» durch «das Team» ersetzt, was das Auffinden und dezidieren von Lämmern schwieriger erscheinen lässt.
Der aufmerksame Leser wird aber meinen Formulierungen schon entnommen haben, dass es keinen Grund für Besorgnis gibt.

Auch Scrum kennt natürlich Rollen! «Product Owner» und/oder «Scrum Master» sind hervorragende Kandidaten und auch innerhalb des Teams wird es üblicherweise irgendein Lamm geben. Zur Not kann es dann auch mal die «Programmleitung» sein.

Und, last but not least, AGIL selbst ist ein wunderbarer Kandidat. Wer möchte sich denn als Gegner von «Agilität» outen?

Rückblick und Ausblick

Schuldzuweisung ist kein Akt, Schuldzuweisung ist ein Prozess!

Sollte es mir gelungen sein, genau dies zu verdeutlichen, so ist zumindest meinem Anspruch an diese Artikelserie genüge getan.

Allerdings wäre meine Hoffnung, von Ihnen liebe Leser, viele Beispiele für gelungenes und weniger gelungenes Vorgehen zu erhalten – mit dem Ziel, Sie auch zukünftig mit «best practice» Beispielen versorgen zu können, damit dieses oft so stiefmütterlich behandeltes Thema weiter an Bedeutung gewinnt. Und wir sollten nie nachlassen, bis auch das PMBOK® diesen zentralen Prozess in Form von Kapitel 14 würdigt.

Erlauben Sie mir noch eine letzte Bemerkung in eigener Sache:
Sollten Sie erwägen, mich als potentiellen Kandidaten für Schuldzuweisung küren zu wollen, so kann ich Ihnen versichern, dass dies keinen Erfolg haben wird.

Denn ich habe den ultimativen Sündenbock schon längst verpflichtet: die Vorsehung.

Bildquellen

Autor: rge

Hallo, ich bin Rüdiger Geist, der rge.harlekin vom Zürichsee. Als Politikwissenschaftler verlor ich sehr schnell den Glauben an Rationalität und den homo oeconomicus. Also suchte ich mir was Handfesteres und Logischeres: die Informatik. Feste Regeln, unmittelbares Feedback vom Compiler und nicht viel mit Menschen zu tun haben. Ihr erahnt es schon, es kam ganz anders. Schnell wurde ich zum Projektleiter ernannt, hörte sich auch toll an, wusste aber nicht so genau was das eigentlich ist. So nach etwa drei Jahrzehnten im Umfeld von Projekten meine ich nun zu wissen worum es da geht und so trage ich nun meine Erkenntnisse seit 2005 mittels eigenem Unternehmen in die Welt hinaus, ja sogar in die EU. Es gibt so viele schöne Zitate, die die unterschiedlichsten Facetten des Projektmanagements beschreiben und ich nutze sie gerne. Aber das beste stammt natürlich von mir selbst: Der Zweck des Projektmanagement ist «no surprises».

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