Beate allein zuhaus

… bis zur Rente

In den letzten Jahren haben wir beim Harlekin einige Artikel dem Thema „Home Office in Covid-Zeiten“ gewidmet. Das war seinerzeit „das neue Normal“ und zugegeben – es hatte nicht nur Nachteile. Allerdings hatte der grösste Teil der arbeitenden Bevölkerung, für die Homeoffice in Frage kam, die Perspektive im Hintergrund, irgendwann wieder ins Büro zu dürfen / können / müssen.

Ich selbst befinde mich sozusagen in einer anderen Gemengelage, denn aufgrund der sehr wenigen Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter, die „mein“ Unternehmen noch in unserer Region hatte, wurde unser Büro geschlossen. Als uns die Entscheidung mitgeteilt wurde, habe ich mich sogleich zu Vernunft und Sachlichkeit ermahnt. „Natürlich“ hatte ich Verständnis dafür, dass es sich für uns nicht lohnt, ein Büro zu unterhalten. Unsere kleine Gruppe von insgesamt 5 Kolleginnen und Kollegen gehört sowieso zu verschiedenen Teams, und das bedeutet: Mein Manager und meine Teamkollegen sitzen schon seit Jahren in den USA, so dass das Homeoffice für die Team-Einbindung keinen Unterschied macht.

Aber traurig waren wir am „Stichtag“ trotzdem. Bei meinem letzten Besuch  im Büro wusste ich schon vorher, dass angesichts der beinahe leeren Büroräume ein paar Tränen fliessen würden. Ab dem nächsten Tag sass ich dann wieder im Homeoffice und fühlte mich ehrlich gesagt erstmal ziemlich einsam und verloren. Das Wissen, dass es „für immer“ ist, und nicht allein während der Covid-Periode, machte alles noch deprimierender. Ich habe die Anwesenheit meiner Kolleginnen und Kollegen sehr vermisst. Doch weil wir vieles an „unserer Firma“ schätzen, war „Home Office for ever“ auch für die jüngeren von uns kein Grund, sofort zu einem anderen Arbeitgeber zu flüchten.

Um mich besser mit den Tatsachen abzufinden, die ich doch nicht ändern kann, machte ich eine Liste der Vorteile des Home Office:

– Ich spare ca. 2 Stunden Fahrzeit pro Tag.
– Ich spare 400 Autokilometer pro Woche und verbessere so meinen ökologischen Fussabdruck.
– Ich muss keine Stunde Mittagspause „totschlagen“ mitten in einem Gewerbegebiet, wo nichts los ist.
– Repräsentative Kleidung ist nur oberhalb des Bauchnabels nötig.
– Ich muss nicht am Vortag schon entscheiden, was ich am nächsten Tag zwischen 8 und 18 Uhr esse.

Besonders die ersten drei sind deutliche Plus-Punkte, unbestritten. Aber die kleinen Albernheiten im Büro, die Scherze mit den Kollegen und auch das schnelle und unbürokratische Zusammenrufen der Truppe im Krisenfall vermisse ich trotzdem. Und – nicht zu vergessen – meine Kolleginnen und Kollegen haben einen grossen Anteil an meiner niederländischen Spracherziehung gehabt. Viele Redensarten und „geflügelte Worte“ habe ich von ihnen gelernt. Im umgekehrten Fall habe ich besonders in den ersten Jahren durch falschen Satzbau und eigenartige Ausdrucksweisen für viel Fröhlichkeit am Arbeitsplatz gesorgt!

Der „Look“ des Büros zuhause

Hatten einige Kolleg:innen während der Covid-Periode einen improvisierten Schreibtisch auf der Schlafzimmer-Kommode („Ist ja doch nicht für lange…“), wurde nun im Rahmen der Möglichkeiten umgestaltet und umorganisiert. Bei uns wurde das Gästezimmer zum Arbeitszimmer, in dem gelegentliche Übernachtungsgäste leider weniger Komfort haben als früher. Ein Kollege hat den Dachboden ausgebaut, eine Kollegin das Gartenhaus umgebaut – und wir sind von der Firma mit professionellen Geräten und Büromöbeln versorgt worden. Ob uns das Home Office nun gefällt oder nicht – wenigstens sitzen wir alle bequem und rückenfreundlich!

Nach der Covid-Periode mit den Lock-down-Phasen können wir 5 Kolleginnen und Kollegen aus der Region uns nun zumindest hin und wieder privat treffen. Und das tun wir auch regelmässig. Wir verabreden uns irgendwo zum Abendessen und freuen uns, dass wir uns endlich wieder sehen können. Bezüglich der Arbeitsprozesse haben wir gar nicht so viel miteinander zu tun, aber es ist dennoch interessant, zu hören, was sich in anderen Abteilungen so abspielt und was jede/n von uns gerade beschäftigt. Für uns ist es ein Glück, dass inzwischen die Kontaktbeschränkungen aufgehoben und die Restaurants und Cafes wieder geöffnet sind!

Der „Lagerkoller“

Im Frühling, Sommer und Herbst habe ich es mir angewöhnt, abends nach der Arbeit erstmal eine Runde mit dem Fahrrad zu fahren. Nun habe ich das Glück, in einer Region mit viel Natur (und vielen schönen Radwegen) zu wohnen – was ich sehr zu schätzen weiss. Das Gefühl, doch einmal am Tag und noch bei Tageslicht die eigene Wohnung verlassen zu können, ist sehr angenehm und beugt dem „Lagerkoller“ vor. Im Winter hatte ich noch Probleme, eine gleichwertige Alternative zu finden. Da es über Monate noch dunkel ist, wenn ich anfange zu arbeiten, und schon wieder dunkel ist, wenn ich aufhöre, bleibt es meist bei einer Runde durch den Garten in der Mittagspause. Sie können sich vielleicht vorstellen, dass ich mich sehr auf den Frühling freue. Aber ich habe mir ausserdem vorgenommen, mich auf den nächsten Winter etwas besser vorzubereiten und kleine Unternehmungen am frühen Abend fest einzuplanen. Schliesslich habe ich ja jetzt 2 Stunden mehr freie Zeit! (Ok, zugegeben – die geschenkte Stunde am Morgen wird bei mir normalerweise mit „länger schlafen“ gefüllt. Auch schön!)

Die besten Home-Office-Momente habe ich, wenn der Nachrichten-App morgens meldet „Aufgrund von Schneefall und überfrierender Nässe haben wir heute früh den längsten Stau des Jahres.“ Das lese ich, während ich gemütlich von der Küche zum Arbeitszimmer schreite, und zitiere den grossen niederländischen Fussballtrainer Johan Cruijff, der einmal gesagt haben soll „Jeder Nachteil hat seinen Vorteil.“

Ich merke, dass ich mich inzwischen an die Situation gewöhnt habe. Ich geniesse es, dass wir als lokales Team in den Niederlanden (zusätzlich zu unseren gemeinsamen Abendessen) regelmässig miteinander „chatten“ und dass mit dem Team in USA auch eine rege Kommunikation stattfindet. Ich „sitzte“ zwar allein, aber ich fühle mich nicht allein.

P.S.: IT-Probleme

Für mich ist die mit Abstand grösste Herausforderung im Homeoffice, wenn ich morgens meinen Rechner ansetze und die Technik funktioniert nicht so, wie sie sollte. Im Büro begann man den Problemlösungsprozess üblicherweise mit dem Ruf des Vornamens eines der IT-Experten, aber zuhause hilft kein Rufen. Da fällt höchstes der Partner aus dem Bett vor Schreck, aber bei der Lösung des Problems hilft das auch nicht weiter.

Also bewegt man sich zwischen IT-Tickets, Screenshots, die man verschickt, und endlosen Teams-Chats mit dem IT-Helpdesk. Dabei ist es sehr hilfreich, wenn die Mitarbeiter:innen des IT-Helpdesk sich keine Illusionen darüber machen, was man den selbst an „Trouble-Shooting“ zu tun im Stande (und nicht im Stande!) ist. Aber das ist wieder ein anderes Thema!

Bildquellen

Autor: bbr

Hallo, ich bin Beate Brinkman, der bbr.harlekin. Ich bin Redakteurin und Autorin für den Harlekin.Blog e.V. und im “Hauptberuf” in einem international agierenden IT-Unternehmen als Support Coordinator tätig. Bisher habe ich in deutschen, niederländischen, amerikanischen und indischen Unternehmen gearbeitet und viele Erfahrungen mit multikultureller Zusammenarbeit machen dürfen. Seit vielen Jahren lebe ich als Deutsche in den Niederlanden und habe festgestellt, dass schon allein die kulturellen Unterschiede zwischen Deutschen und Niederländern ganze Bücher füllen können. Aus beruflichen und privaten Gründen gilt dem multikulturellen (Miss-)Verständis mein besonderes Interesse. Ob es um Essen, Sprache, dienstliche Conference Calls oder die Gestaltung von Begräbnissen geht – wenn die Kulturen mehrer Länder aufeinander stoßen, wird es spannend. Und das führt zu manchmal unerfreulichen, oft sehr komischen, aber immer lehrreichen Situationen.

Schreibe einen Kommentar

Deine E-Mail-Adresse wird nicht veröffentlicht. Erforderliche Felder sind mit * markiert