
Ich war mal wieder beim Bäcker. Bei uns im Ort sind die alle ziemlich latschig (die Brötchen, nicht die Bäcker). Also fahre ich sonntags morgens gerne eine längere Strecke mit dem Rad in den nächsten Ort und jage Brötchen. Außerdem ist die Unterhaltung vor Ort bemerkenswert. Hier also mein letztes Erlebnis…
Als aufgeweckter Kerl frage ich vorher meine Kinder (und meine Frau), welche Brötchen sie denn gerne hätten. Da wird mir dann in der Regel entgegengeschmettert: „Ähh, egaaaal“, oder „Schokocroissant – juhu, Papa fährt zum Bäcker“. Naja, ist ja Sonntag, da dürfen die Kleinen auch mal was Süßes zum Frühstück, mit Gemüse können wir sie zum Mittagessen noch quälen.
Ich komme also 20 Minuten später gegen 8:15 frisch erholt und mit leicht knurrendem Magen beim Bäcker an und vor mir nur 2 Leute in der Schlange – yes, alles richtig gemacht beim Timing. Während ich mich noch innerlich freue, baut sich vor mir die Spannung auf:
Er: 2 grummelDingsbums, wie heißen die noch?
Sie: Die haben wir Sonntags nicht, aber die grummel-da-vorne sind so ähnlich.
Er: Nee, die mag meine Tochter nicht. Dann 3 Backis bitte.
Sie: Die sind noch nicht fertig, dauert noch 4 Minuten.
Er: Was für eine Scheiße, das ist nicht fertig, das habt ihr nicht. So ein Scheißladen…
Sagt es und zieht von dannen. Sie, leicht genervt, entleert die Tüte und empfängt mich. Ich denke mir: Schade, keine Backis, aber den Scherz verkneif ich mir. Mal sehen – was es sonst so zur Auswahl gibt. Die armen Verkäuferinnen müssen sich schon oft genug anschnauzen lassen.

Warum erzähl ich die Geschichte eigentlich? Nein es geht hier nicht um Verrohung, Respektlosigkeiten, gute Vorbereitung und sonstiges – ist zwar auch ein Thema wert, aber mich hat vor allem beeindruckt, dass man da vor einer vollen Theke steht mit aus meiner Sicht genügend Auswahl und es Menschen nicht gelingt, daraus auszuwählen. Erinnert mich ein bisschen an Bernie‘s Story mit dem Eis. Aber statt dann einfach zu wählen und es der Tochter zu erklären, geht man ganz ohne Brötchen nach Hause? Im beruflichen Kontext nennt man das glaub ich Stakeholder Management.
Na klar, werdet Ihr sagen – im letzten Meeting sind meine Stakeholder auch wutentbrannt aufgestanden und haben den Raum verlassen, weil sie nicht das bekommen haben, was sie wollten. Mir geht es hier nicht um die ganze Bandbreite des Stakeholder Managements, sondern nur um ein Detail: Haben wir wirklich so sehr verlernt, mit Enttäuschungen, nicht erfüllten Erwartungen und Zurückweisungen umzugehen? Oder können wir noch nicht mal 4 Minuten warten? Dann hätte es sogar warme Brötchen gegeben…
Noch zur Auflösung: ich habe auch keine 4 Minuten gewartet, ich hatte ja schon Hunger. Und es gab jede Menge Auswahl, die mich ebenso satt gemacht hat.
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